„Ich verstehe jetzt, warum andere Opfer von Vergewaltigungen nicht vor Gericht ziehen“, hat Gisèle Pelicot zu all den Unterstellungen gesagt. Aber sie bereue es nicht, diesen Weg gegangen zu sein.

Ihr Anwalt formulierte es diesen Mittwoch in seinem Plädoyer so: „Wenn die Verteidigung auch frei ist, sagt sie doch viel darüber aus, wer wir sind.“

Diese Frage ist zentral: In welcher Gesellschaft leben wir? Der Prozess erschüttert Frankreich auch, weil er Bilder zerstört, die sich über Jahrzehnte in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben. Ein Vergewaltiger, glauben immer noch viele, sei ein Fremder, der nachts aus einem Gebüsch springt und eine arglose Frau überfällt.

Der Prozess zeigt nun allerdings, dass dem nicht so ist. Dominique Pelicot hatte keine Mühe, seine Komplizen zu finden. Auf einer inzwischen geschlossenen Internetseite lud er über einen Zeitraum von zehn Jahren Männer unter dem Titel „Ohne ihr Wissen“ ein, seine unter Drogen gesetzte Frau zu vergewaltigen. Es kam ein Querschnitt der Gesellschaft.

Unter den Angeklagten: Jean-Luc L., ein Tischler. Patrice N., ein Elektriker. Jacques C., ein Rentner. Christian L., ein Feuerwehrmann, der in Uniform zur Vergewaltigung erschien. Nicolas F., ein Journalist. Karim S., ein Informatiker, der zugab, auch eine ehemalige Partnerin vergewaltigt zu haben. Redouane A., ein Arbeitsloser, der zuvor schon 19 Mal verurteilt worden war, unter anderem wegen Gewalt in der Partnerschaft. Quentin H., ein ehemaliger Polizist.

Zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Taten waren die Männer zwischen 22 und 67 Jahre alt. Bis sie am Tatort waren, brauchten sie nicht lange. Sie wohnten in der Nachbarschaft, nur wenige Kilometer von den Pelicots entfernt.

Warum sie bereitwillig ins Haus der Familie kamen, um zu vergewaltigen? Offenbar hätten sie „Wehrlosigkeit mit sexueller Erregung in Verbindung gebracht“, mutmaßt der Traumatologe und Psychotherapeut Christian Lüdke.

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