Nach der Attacke auf den Dresdner SPD-Politiker Matthias Ecke ertönt der Ruf nach speziellen Gesetzen zum Schutz von Mandatsträgern. Ein gefährlicher Irrweg.

Ob bei einer islamistischen Demo in Hamburg oder nach Gewaltexzessen gegen Wahlkämpfer: Seit geraumer Zeit schon erinnert die amtierende Bundesinnenministerin in ihren reflexhaften Reaktionen an die gute alte Jukebox. Man schmeißt oben eine Münze rein, und schon legt automatenhaft Nancy „Wurlitzer“ Faeser die gleiche Single auf: Der Staat werde sich das nicht bieten lassen, der Staat werde das nicht hinnehmen, der Staat werde mit aller Härte … Kürzlich hat dem obersten Phrasenapparat der Bundesregierung ein wacher Journalist des „Stern“ geantwortet und an etwas eigentlich Selbstverständliches erinnert: „Frau Faeser, Sie sind der Staat!“

Die ganze Hilflosigkeit der Politik angesichts einer offensichtlichen Verrohung und Radikalisierung dieser Gesellschaft kristallisiert sich in den leeren Worten der für die innere Sicherheit zuständigen Ministerin. Wie letztlich in allen Betroffenheitsbekundungen, die in den letzten Tagen vom Bundespräsidenten im Schloss Bellevue bis zum letzten Kommunalpolitiker in Zappendorf und Tauberbischofsheim pflichtgemäß geäußert wurden.

Schwere Körperverletzung ist hinreichend strafbewehrt

Nun, nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke, haben sich die Innenminister von Bund und Ländern zusammengeschaltet und sind auf die Idee gekommen, schärfere Gesetze für Übergriffe auf Politiker zu fordern. Nancy Faeser hat versprochen, mit ihrem Kabinettskollegen Marco Buschmann darüber zu sprechen. Dieser eilfertige Hinweis zeigt schon, dass die Juristin genau weiß, was ihr Kollege Justizminister davon hält: nichts nämlich.

Und das zu Recht. Denn dieser Vorschlag einer „Lex politicus“ ist nicht nur hilflos, sondern nutzlos und schädlich obendrein. Paragraf 226 StGB sieht für schwere Körperverletzung ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Gefängnis vor. Und dieser Paragraf gilt entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes für alle Menschen gleichermaßen: Und er schützt mit dieser Strafbewehrung alle potenziellen Opfer gleichermaßen. Seien sie nun Politiker, Busfahrer oder Metzgermeister.

Wenn die Politik in dieser aufgeheizten und gereizten Stimmung gegen sie nun auch noch höher strafrechtliche Schutzzäune um sich herum baut, dann sieht das aus wie eine „gated community“, wie ein speziell abgeschotteter Raum einer besonderen Spezies. Dieser Eindruck darf aber unter keinen Umständen entstehen. Denn, um den „Stern“-Kollegen zu ergänzen, nicht nur Nancy Faeser ist der Staat, sondern wir alle sind der Staat, und zwar gleichermaßen. In einer repräsentativen Demokratie haben Politiker für eine befristete Zeit eine besondere Rolle. Besondere Rechte aber dürfen sie nicht bekommen.

Was wirklich helfen würde

Zwei Dinge würden stattdessen wirklich helfen. Erstens: Die Gesetze müssen schneller und konsequenter angewandt werden. Wer heute einem Menschen, in dem Fall einem Politiker, die Gesichtsknochen eintritt, der muss am besten in der Woche drauf schon seine angemessene Strafe aufgebrummt bekommen haben. Sonst lachen solche Täter den Rechtsstaat nur aus.

Und zweitens, das klingt jetzt etwas technisch: Die sogenannten sozialen Netzwerke, die in Wahrheit in weiten Teilen asoziale Netzwerke sind, Kommunikationskloaken, müssen wie andere Medien auch dem Presserecht unterworfen werden. So wie jeder Text in einer Zeitung oder einem Nachrichtenportal, bis hin zu den veröffentlichten Leserzuschriften, vom Chefredakteur oder der Chefredakteurin verantwortet wird und er oder sie am Ende dafür haftet (VisdP, verantwortlich im Sinne des Presserechts), so müssen auch Elon Musk und Mark Zuckerberg beziehungsweise ihr Statthalter hierzulande für jeden einzelnen strafrechtlich relevanten Hass- und Hetzpost persönlich verknackt werden können.

Denn die Fußtritte gegen die Gesichtsknochen eines am Boden liegenden Politikers haben ihren Ursprung in der verrohten und verkommenen Kommunikationskultur in diesen Kloaken. Deren massenhaften Dreck und Unflat man nur mit diesem im Presserecht bewährten Haftungsprinzip beikommen.

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