Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf hat nur noch wenig Hoffnung, dass die Wirtschaft unter der Ampel wieder besser läuft. Besonders einen Minister kritisiert er im Interview scharf.

Deutschlands Wirtschaft schrumpft – und die Politik versucht gegenzusteuern: Mit einem Ampel-Gesetzespaket für mehr Wachstum, mit einem Industriegipfel beim Kanzler, mit neuen Ideen für mehr Subventionen, die zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgestellt hat.

Den Präsidenten des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, überzeugt all das nur bedingt. Er fordert einen grundlegenden Politikwechsel, der den Unternehmen Sicherheit vermittelt und für bessere Standortbedingungen sorgt. Geht das noch mit der Ampel? Oder braucht es schnelle Neuwahlen? Und was erwartet er mit Blick auf die endende Friedensperiode im laufenden Tarifstreit in der Metall- und Elektroindustrie? Im t-online-Interview gibt Wolf Antworten.

t-online: Herr Wolf, wir wollen beginnen mit einem Heinrich-Heine-Zitat, bei dem wir Sie um Vervollständigung bitten. Den Satz kennt jeder: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, …“

Stefan Wolf: … bin ich um den Schlaf gebracht.

Ja, und Spaß beiseite: Denke ich an Deutschland, mache ich mir wirklich große Sorgen um die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Und ich befürchte, dass wir, wenn nicht schnell was passiert, in noch eine stärkere Deindustrialisierung hineinlaufen.

Sie klingen sehr pessimistisch. Warum?

Die Rahmenbedingungen in Deutschland sind einfach schlecht. Und es verändert sich nichts zum Besseren. Die Regierung ist zerrissen, es geht nichts vor und nichts zurück. Beispiel Bürokratieabbau: Ich höre seit bald zwei Jahren, dass die Politik da endlich liefern will, auch der Kanzler hat gerade gesagt, dass das Lieferkettengesetz wegmuss. Aber es tut sich einfach nichts. Das frustriert mich enorm. Beispiel Sozialbeiträge: Die steigen nächstes Jahr voraussichtlich auf über 42 Prozent – obwohl wir schon lange fordern, dass sie bei 40 Prozent gedeckelt werden müssen.

„Wenn es keinen Politikwechsel gibt, wären vorgezogene Neuwahlen gut fürs Land“, sagt Wolf. (Quelle: Dominik Butzmann/t-online)

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat immerhin gerade eine Krankenhausreform angeschoben, die das Gesundheitssystem effizienter machen, Kosten einsparen soll.

Ja, das ist auch gut und richtig. Aber das reicht nicht aus. Insgesamt muss die gesamte Sozialversicherung mit allein 24 Milliarden Euro Verwaltungskosten effizienter werden. Sie muss besser strukturiert und noch digitaler werden. Wir brauchen eine große Organisationsreform der deutschen Sozialversicherung.

Wenn Sie so schimpfen: Wären vorgezogene Neuwahlen besser fürs Land?

Im Grunde bin ich Optimist. Unser wirtschaftliches Fundament ist gut, wir haben gute Grundbedingungen, damit wir zur alten Stärke zurückkehren können. Aber wenn es keinen Befreiungsschlag hin zu besseren Rahmenbedingungen gibt, will ich das nicht ausschließen.

Wenn es keinen Politikwechsel gibt, wären vorgezogene Neuwahlen gut fürs Land. Deutschland braucht ein Signal des Aufbruchs: Den aktuellen Stillstand können wir uns nicht leisten, jeder Monat zählt.



Friedrich Merz hat besser verstanden, was die Politik für einen wirtschaftlichen Aufschwung tun kann


Stefan Wolf


Nach derzeitigem Stand der Umfragen würde die CDU die Wahl gewinnen. Wäre Friedrich Merz der bessere Kanzler?

Ja. Friedrich Merz hat besser verstanden, was die Politik für einen wirtschaftlichen Aufschwung tun kann. Bestenfalls regiert er nach der Wahl gemeinsam in einer bürgerlichen Koalition zusammen mit der FDP, die das ebenso weiß.

Danach sieht es nicht aus. Wahrscheinlicher wäre eher eine Große Koalition von Union und SPD. Früher stand genau solch ein Bündnis für Stillstand.

Meine Erwartung ist, dass Herr Merz und die Union auch in diesem zweitbesten Fall die wirklich wichtigen Punkte im Koalitionsvertrag durchsetzen – und dass die SPD andere Minister ins Kabinett schickt. Um es ganz klar zu sagen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist in meinen Augen eine echte Problemfigur im Kabinett. Er will immer mehr Sozialleistungen und immer weniger freie Marktwirtschaft. Das können wir echt nicht gebrauchen, wenn wir wieder eine starke Wirtschaftsnation werden wollen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck schlägt einen neuen „Deutschlandfonds“ vor, der Investitionen in Firmen fördern soll. Eine gute Idee?

Positiv daran ist allein die Erkenntnis des Wirtschaftsministers, dass die Standortbedingungen offensichtlich so schlecht sind, dass die Unternehmen nicht mehr bereit sind, in Deutschland zu investieren, und die Politik dringend handeln muss. Wir brauchen tiefgreifende Strukturreformen. Zur Finanzierung dieser Pläne braucht es Einsparungen und Priorisierungen im Haushalt.

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