Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow soll schwer krank sein. Damit wackelt für Putin eine wichtige Stütze im Ukraine-Krieg. So könnte es nun weitergehen.

Ein Medienbericht hat in Russland die Spekulationen um den Gesundheitszustand von Tschetschenen-Führer und Putin-Vertrauten, Ramsan Kadyrow, befeuert. Der kremltreue und für seinen brutalen Umgang mit Andersdenkenden bekannte Politiker leide unter einer unheilbaren Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, schrieb die im Exil herausgegebene Zeitung „Nowaja Gaseta. Europa“ am Montag. Mehr dazu lesen Sie hier.

Sollte es um Kadyrow tatsächlich so schlecht stehen, könnte das auch ein Problem für den russischen Präsidenten Wladimir Putin werden. Denn die beiden blicken nicht nur auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück, Putin setzt auch im andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Unterstützungen des Tschetschenen-Führers.

Lange Verbundenheit zu Putin

Kadyrow und Putin verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Kadyrow ist Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Schon sein Vater Achmat wurde von Putin zum Oberhaupt Tschetscheniens ernannt – als Belohnung dafür, dass er seiner Armee im zweiten Tschetschenienkrieg 1999 den Rücken kehrte und stattdessen auf russischer Seite kämpfte. In dem zehnjährigen Krieg, der viele Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte, eroberte er die bis dahin als unabhängig geltende Region.

Achmats Amt war somit ein Dankeschön für dessen Verdienste im Krieg. 2004 wurde er dann von islamistischen Rebellen ermordet. Offiziell übernahm Aly Alchanow die Geschäfte in Tschetschenien, doch inoffiziell war Ramsan Kadyrow bereits damals an der Spitze. 2007, im Alter von 30 Jahren, übernahm er dann auch ganz offiziell den Posten. Bei der Wahl 2021 wurde er angeblich mit 99,6 Prozent im Amt bestätigt. Menschenrechtler kritisieren jedoch, dass es in Tschetschenien schon lange keine legitimen und freien Wahlen mehr gibt.

Furchtlos und korrupt

Doch nicht nur Wahlmanipulation wird Kadyrow vorgeworfen. So soll er seinen exklusiven Lebensstil durch Korruption finanzieren. Der 45-Jährige ist Vater von insgesamt zwölf Kindern und Mann von zwei Frauen. Jeder von ihnen soll er einen Palast in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny gebaut haben, ein dritter dient ihm laut Medienberichten als Regierungssitz. Auch eine Villa in Dubai soll er besitzen.

Mit Kritikern geht Kadyrow wenig zimperlich um. Die Mutter eines Regimekritikers wurde gewaltsam entführt. Der Moderator eines regimekritischen Telegram-Kanals „verschwindet“. Kurz darauf tauchte ein Video von ihm auf, in dem er sich selbst Gewalt antat. Mehr zu den Vorwürfen lesen Sie hier.

Auch im Krieg gegen die Ukraine tritt Kadyrow als furchtloser und erbitterter Kämpfer auf – und spielt so eine unverzichtbare Rolle für Putin. Denn Kadyrow verdankt seine Macht zwar Putin, doch die Abhängigkeit ist längst beidseitig.

Gleichzeitig bediene Kadyrow auf seinem Kanal das Narrativ des „unerschrockenen, religiösen und warmherzigen Kriegshelden“: Mit Propagandavideos, die Aufmärsche seiner Armee in Tschetschenien und angebliche Kriegshandlungen in der Ukraine zeigen, unterhält er seine Follower. Mit der Inszenierung seines islamischen Glaubens versucht er zudem, die überwiegend muslimisch geprägte tschetschenische Bevölkerung zu erreichen.

Machtapparat droht zu bröckeln

Dass Kadyrow tatsächlich gesundheitlich angeschlagen ist, ist nicht erst nach den neuesten Berichten wahrscheinlich. Bereits im vergangenen Jahr gab es Gerüchte über eine schwerwiegende Erkrankung. Zeitweise war davon die Rede, dass Kadyrow im Koma liege.

Aktuelle Videos auf seinem Telegram-Kanal, die eigentlich zeigen sollen, dass Kadyrow nicht beeinträchtigt ist, können diese brodelnde Gerüchteküche kaum beruhigen. Denn sie zeigen den tschetschenischen Machthaber, wie er beinahe reglos am Tisch sitzt und nur langsam und offenbar mit Mühe spricht.

Sollte Kadyrow wirklich schwer krank und vielleicht sogar bald tot oder regierungsunfähig sein, könnte dies die Machtverhältnisse in Tschetschenien ins Wanken bringen. Kadyrow hatte seinen Machtapparat stark auf sich persönlich zugeschnitten, etablierte einen regelrechten Personenkult. Sollte er nicht mehr an der Spitze der Regierung stehen, droht auch das komplette Macht- und Kontrollsystem zu bröckeln. Und seine präferierte Lösung ist derzeit noch unwahrscheinlich.

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