Die parteiinterne Kritik an Olaf Scholz wurde zuletzt immer lauter. Der SPD-Sieg in Brandenburg hat dem Kanzler eine Verschnaufpause verschafft – mehr aber auch nicht. Vor allem ein Ereignis könnte Scholz gefährlich werden.

Es waren nur 1,7 Prozentpunkte, die der SPD bei der Landtagswahl in Brandenburg den Sieg sicherten. In einer spektakulären Aufholjagd landeten die Genossen bei 30,9 Prozent, gegenüber den 29,2 Prozent für die AfD. Ein hauchdünner Sieg, der wohl einen politischen Tsunami verhinderte.

Die 1,7 Prozentpunkte retteten nicht nur die politische Karriere von Ministerpräsident Dietmar Woidke, der im Fall einer Niederlage seinen Rückzug angekündigt hatte. Sondern womöglich auch die von Olaf Scholz. Denn die parteiinterne Kritik am SPD-Kanzler war in den vergangenen Wochen immer weiter gestiegen. Die heftigen Schlappen bei der Europawahl und im Osten, miese Umfragewerte, Scholz’ spröder Politikstil, der Ampeldauerstreit – in der SPD wuchs allmählich das zarte Pflänzchen der Rebellion.

Die Kritik an Scholz und Teilen der Parteispitze wurde nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Im Vorfeld der Brandenburg-Wahl trauten sich einzelne Sozialdemokraten, sie auch offen auszusprechen: Der Chef der Duisburger SPD etwa, Mahmut Özdemir, der seinem Ärger auf Facebook Luft machte; oder die Finanzministerin von Brandenburg, Katrin Lange, die das öffentliche Auftreten mancher Genossen als „unerträglich“ bezeichnete.

Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil: Bei der Entscheidung, ob Scholz Kanzlerkandidat bleibt, spielen sie die maßgebliche Rolle. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)

Es waren Zeichen des Zorns, die sich zunehmend einen Weg aus dem Parteiinneren an die Oberfläche bahnten. Vereinzelt wurden sogar Forderungen laut, Scholz die Kanzlerkandidatur wegzunehmen und stattdessen Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Rennen zu schicken. „Natürlich kommt der beliebteste Politiker Deutschlands als SPD-Kanzlerkandidat infrage“, sagte kürzlich der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er sprach aus, was viele, vor allem an der SPD-Basis, heimlich denken.

Doch die Revolte blieb aus. Woidkes Überraschungssieg brachte den revolutionären Funken vorerst zum Erlöschen. Im Fall einer Niederlage wäre eine offene Rebellion in der SPD kein unwahrscheinliches Szenario gewesen. „Hätten wir Brandenburg und Woidke verloren, wäre die Stimmung in der Partei gekippt“, so ein Genosse zu t-online. In der Fraktionssitzung der SPD am Dienstag war die Brandenburg-Wahl auch nur noch am Rande ein Thema. Es ging um Industriearbeitsplätze, Migration, das Sicherheitspaket – die Genossen wollen nach vorn blicken.

Ende gut, alles gut? Mitnichten. Die Gefahr für den SPD-Kanzler ist damit längst nicht gebannt, die Partei höchstens an der Oberfläche befriedet.

Kabinettskollegen Lindner, Habeck, Scholz: Die Strukturprobleme der SPD scheinen in der Ampel nur größer zu werden. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)

Denn die strukturellen Probleme der SPD bleiben. Auch ist Scholz – den öffentlichen Beschwörungen der Parteispitze zum Trotz – als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2025 nicht gesetzt. Dafür sind die Zweifel bei vielen Genossen einfach zu groß. Auch die Stimmung im Land könnte kaum eindeutiger sein: Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 67 Prozent der Deutschen Pistorius als Kanzlerkandidat der SPD; nur 21 Prozent sind für Scholz. Kann die Kanzlerpartei diesen Trend wirklich ignorieren?

Intern macht die Partei keinen Hehl aus ihrer aktuellen Lage: Wie ehrlich sie hinter den Kulissen ihren Zustand analysiert, zeigt etwa ein Vermerk, der im Auftrag des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) am Montag als „Wording für Medienanfragen“ an die Genossen in Niedersachsen verschickt wurde.

„Die Situation der Bundes-SPD ist derzeit sehr schwierig“, heißt es dort. Das zeigten Wahlergebnisse ebenso wie Umfragen. Es wäre daher ein „großer Fehler“, nach der Brandenburg-Wahl zur Tagesordnung überzugehen. Stattdessen müsse die SPD ein klares Signal an die Wähler senden: „Wir haben verstanden!“.

Doch was genau eigentlich? Dass man auf die falschen Themen und Leute gesetzt hat? Dass sie sich in den vergangenen Jahren immer weiter von ihren Kernwählern entfernt hat? Unklar. Offenbar haben auch Weils Leute bisher keine Antwort: „Was genau das bedeutet, muss im Mittelpunkt der schwierigen internen Beratungen stehen, die jetzt auf Ebene der Bundespartei folgen müssen“, heißt es weiter.

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