Das verlassene Juwel Liguriens

Die Geisterstadt, die zweimal gebaut wurde


09.03.2025 – 11:27 UhrLesedauer: 2 Min.

Blick auf Balestrino: Ein verlassenes Juwel Liguriens, das zweimal erbaut wurde. (Quelle: imago-images-bilder)

Verlassene Häuser, überwucherte Gassen – Balestrino ist ein magischer Lost Place mit einer Geschichte, die bis heute fasziniert.

Italien ist ein Land voller Geschichte, Kultur und mystischer Orte. Besonders in Ligurien gibt es zahlreiche Geisterstädte – stille Zeugen vergangener Zeiten, die von der Natur oder dem Schicksal verlassen wurden. Einige fielen Erdrutschen zum Opfer, andere wurden aus wirtschaftlichen oder historischen Gründen aufgegeben. Eines der faszinierendsten Beispiele ist Balestrino, eine mittelalterliche Stadt, die einst blühte und heute nur noch ein Schatten ihrer Vergangenheit ist.

Balestrino liegt eingebettet zwischen den Hügeln Liguriens, etwa 70 Kilometer südwestlich von Genua. Wann genau das kleine mittelalterliche Dorf gegründet wurde, bleibt ein Rätsel. Doch die steinernen Ruinen, die sich zwischen wildem Efeu und Gras verstecken, erzählen von einer langen und bewegten Geschichte, die bis in die Altsteinzeit zurückreicht.

Schon damals ließen sich hier erste Menschen nieder, später hinterließen die Römer ihre Spuren – darunter den Felsenturm Burgus Plebis, der noch immer steht. Doch die Römer waren nur eine von vielen Mächten, die über das Dorf herrschten.

Im Mittelalter gehörte Balestrino zunächst einem Benediktinerkloster, dann übernahm die Adelsfamilie Del Caretto das Zepter. Ihr Oberhaupt, Marquis Pirro del Caretto, ließ im 16. Jahrhundert das Wahrzeichen des Ortes errichten: ein imposantes Schloss. Um diese Burg herum wuchs das Dorf über Jahrhunderte hinweg – bis es irgendwann still wurde.

Heute stehen die grauen Steinhäuser im alten Zentrum von Balestrino leer. Fensterhöhlen starren ins Nichts, Türen hängen schief in ihren Angeln und nur der Wind pfeift durch die engen Gassen. Aber warum?

Der Grund liegt tief im Erdreich versteckt. Vor fast 60 Jahren wurde Balestrino von einer Katastrophe heimgesucht: Eine Serie von Erdbeben ließ den Boden unter dem mittelalterlichen Dorf instabil werden. Es folgte ein massiver Erdrutsch, der drohte, die gesamte Siedlung mit sich zu reißen. Den Bewohnern blieb keine Wahl – sie mussten fliehen.

Statt ihre Heimat vollständig aufzugeben, ließen sie sich nur wenige Hundert Meter entfernt, unterhalb der einsturzgefährdeten Altstadt nieder. Hier entstand in den 1960er-Jahren ein neues Balestrino – sicherer, moderner, aber nicht mehr mit dem Charme des historischen Originals. Heute leben hier noch rund 525 Menschen (Stand 2022), während die alte Stadt als verlassene Ruine weiter über ihnen thront.

Die 1,5 Hektar große Altstadt von Balestrino gehört inzwischen zu den faszinierendsten Lost Places Italiens. Verlassene Steinhäuser, überwucherte Straßen und eine Atmosphäre zwischen Melancholie und Abenteuer machen den Ort zu einem beliebten Ziel für Fotografen, Geschichtsliebhaber und Urbex-Fans. Auch Bestseller-Autorin Cornelia Funke ließ sich von der magischen Kulisse verzaubern. Balestrino diente 2008 als Drehort für die Verfilmung ihres Romans „Tintenherz“. Noch heute können Besucher durch die Straßen schlendern, die im Film als Schauplatz für eine Welt voller Abenteuer und Geheimnisse dienten. Ein Grund mehr, diesen einzigartigen Ort zu entdecken – bevor die Natur ihn endgültig zurückerobert.

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