Ein Freispruch wirft Fragen auf: In Nordrhein-Westfalen wurde ein Mann mit einem fragwürdigen Strafverfahren überzogen. Seine Ex-Partnerin ist die Nummer 2 in der Kommandostruktur der Polizei, hat sich aber nach ihren Angaben nicht eingemischt.

Ein Mann findet auf Europas größtem Trainingszentrum für Feuerwehr, Polizei, Militär und Katastrophenschutz ein Magazin mit Übungsmunition von Behörden – und landet vor Gericht, nachdem er sie sicher in seinem Waffentresor verschlossen hat. Pikant macht den Fall, wem da unter welchen Umständen der Prozess gemacht wurde.

Vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde nach kurzem Prozess am Amtsgericht Kleve Michael Lesmeister freigesprochen, Chef der Rettungsorganisation ISAR Germany, deren Spezialisten weltweit oft unter den ersten Helfern bei schweren Katastrophen sind. Seine Ex-Partnerin ist Daniela Lesmeister, seit 2022 Staatssekretärin und Vertreterin von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (beide CDU), zuvor Abteilungsleiterin Polizei im Innenministerium. Polizei und Justiz haben offenbar Fehler gemacht, als sie gegen ihren Mann vorgegangen sind.

In dem Fall hatte der Jäger die Munition mitgenommen, den Betreiber des Trainingszentrums über den Fund informiert und die Patronen zur Verwahrung in seinen Waffentresor gelegt. Dort wurden sie zwei Tage später bei einer Durchsuchung zufällig gefunden, die nach einer Anzeige seiner Noch-Ehefrau erfolgt war. Am Ende bekam er deshalb zunächst einen Strafbefehl und saß dann als Angeklagter im Gerichtssaal.

Dort forderte aber dann auch die Staatsanwaltschaft selbst Freispruch. Verteidiger Christian Teppe, Spezialist für Waffenrecht und Autor des Spiegel-Bestsellers „Der kleine Jäger-Knigge“, fasste die Kriminalisierung seines Mandanten so zusammen: „Er ist bei Grün über die Ampel gegangen und wird dargestellt, als sei er ein Schwerverbrecher!“

Teppe forderte, dass die Staatsanwaltschaft Kleve aufklärt, wieso offenbar ein Unschuldiger verfolgt worden sei: „Sorgen Sie dafür, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederholt!“ t-online sagte er, dass es um ein mögliches Offizialdelikt gehe, bei dem die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig werden müsse.

Er äußerte auch Verwunderung über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Diese habe einen Strafbefehl gegen den Mandanten erwirkt und daran festgehalten, „obwohl wir sehr oft darauf hingewiesen haben, dass keine strafbare Handlung vorliegt“. Gegen den Strafbefehl mit 30 Tagessätzen hatte die Verteidigung Einspruch eingelegt, deshalb kam es zur Verhandlung.

Richter: Da gab es kein strafbares Handeln

Für den Prozess hatte die Verteidigung beim Waffensachverständigen Lars Winkelsdorf ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Vorwürfe offenbar detailliert zerpflückt hätte. Es war im Prozess aber gar nicht mehr gefragt: Als die Verteidigung zu Verhandlungsbeginn darauf eingehen wollte, unterbrach der Richter. Er habe sich eine waffenrechtliche Meinung gebildet, demnach sehe er gar kein strafbares Handeln.

Waffengutachter Winkelsdorf sagte t-online nach der Verhandlung: „Es ist bisher die einzige von rund 550 Waffenbehörden in Deutschland, die auf die Idee kommt, gegen den Finder zu ermitteln.“ Die Behörde schreibe sogar auf ihrer Internetseite selbst richtig, dass bei umgehender Meldung keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten sind. Das Vorgehen sei für ihn unerklärlich.

Es geht um die Polizei im Kreis Kleve, wo Lesmeister mit seiner Frau wohnte. Inzwischen lebe er in Trennung, sagte er auf Frage des Gerichts. Getrennt haben sich auch ihre Wege bei der Hilfsorganisation: Die Staatssekretärin beendete im März 2023 ihre ehrenamtliche internationale Einsatztätigkeit für die ISAR Germany Stiftung gGmbH, die ihr 2010 sogar einen „Bambi“ eingebracht hatte.

Hilfsorganisation: Michael und Daniela Lesmeister hatten ISAR Germany gegründet, sie war Vorsitzende. Das Foto zeigt sie 2018. (Quelle: Kai Kitschenberg)

Ihr Ausstieg dort fällt zeitlich zusammen mit einer Hausdurchsuchung, bei der die fragliche Munition entdeckt wurde. Am 14. März 2023 waren Polizisten im Anwesen, um den Waffenschrank von Michael Lesmeister zu durchsuchen und die Waffen mitzunehmen. Ihnen öffnete die Haushälterin und sagte, schon informiert zu sein.

Die Durchsuchung war im Zuge eines „anderen Verfahrens“ erfolgt, hieß es im Prozess. Dieses sei aber abgeschlossen und Michael Lesmeister weiter unbescholten, so die Verteidigung. Worum es dabei ging, blieb nebulös. Verteidiger Teppe wollte auf Anfrage von t-online die Informationen nicht kommentieren, dass in diesem anderen Verfahren Lesmeisters Frau Anzeige erstattet hatte. Diesen Hergang bestätigte die Staatssekretärin später selbst t-online.

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