Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht sich Vorwürfen ausgesetzt – wegen der Informationspolitik seines Ministeriums zum Atomausstieg. Im Kern geht es um die mutmaßliche Verschleierung von intern geäußerten Argumenten für einen Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke. Ein Überblick.

Das Wichtigste im Überblick


Was wird Habeck genau vorgeworfen?

Die Vorwürfe richten sich derzeit weniger gegen Habeck direkt, sondern gegen Mitarbeiter seines Ministeriums sowie des ebenfalls grün-geführten Umweltministeriums. Das Magazin „Cicero“ hatte berichtet, dass sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden seien.

Nach Darstellung des „Cicero“ soll ein „einflussreiches Netzwerk der Grünen“ den Ausstieg vom Atomausstieg verhindert haben. So habe die Expertise von Fachleuten keine Rolle gespielt, dafür habe der „mit Grünen-Parteisoldaten besetzte Führungszirkel“ beider Ministerien „alle wesentliche Schritte unter sich ausgemacht“. Beide Ministerien weisen das zurück, und auch darüber hinaus gibt es an dieser Darstellung große Zweifel, wie Sie im kommenden Kapitel lesen können.

„Cicero“ hatte Unterlagen zum Atomausstieg vom Wirtschaftsministerium nach dem Umweltinformationsgesetz freigeklagt und somit Zugang zu zahlreichen internen E-Mails, Vermerken, Gesprächsprotokollen und Briefen erhalten.

Darin geht es unter anderem um Folgendes: Mitarbeiter von Habecks Ministerium argumentierten im Entwurf eines Vermerks vom 3. März 2022, unter bestimmten Umständen könne eine begrenzte Laufzeitverlängerung der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke bis in das folgende Frühjahr sinnvoll sein. Sie rieten dazu, diese Möglichkeit weiter zu prüfen. In der Leitungsebene lag das Dokument laut Ministerium nur Staatssekretär Patrick Graichen vor, einem Parteifreund Habecks, der später nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft das Amt räumen musste – den Minister hätte es damit nicht erreicht.

Wer widerspricht dieser Darstellung?

Die Darstellung des Wirtschaftsministeriums lautet anders: Im Entwurf eines Vermerks hatten Fachleute des Wirtschaftsministeriums Anfang März die Frage aufgeworfen, ob ein Weiterbetrieb nicht sinnvoll sein könnte, Argumente dafür aufgeführt und eine Prüfung empfohlen. Dieses Papier erreichte Habeck nach eigenen Angaben damals nicht. Es ging aber laut Wirtschaftsministerium später in einen Prüfvermerk ein, in dem Wirtschafts- und Umweltministerium sich gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke aussprachen. Später war der Betrieb von drei Atomkraftwerken zur Sicherung der Stromversorgung doch noch bis Mitte April 2023 verlängert worden.

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums kritisierte die Berichterstattung insgesamt. „Die Darstellung ist verkürzt und ohne Kontext, und entsprechend sind die daraus gezogenen Schlüsse nicht zutreffend.“ Das Ministerium wies die Vorwürfe eines „ideologischen Handelns“ zurück und sprach außerdem von „medienseitigen Missverständnissen“. Die Prüfung sei „sorgfältig und ausschließlich sachorientiert“ erfolgt, so das Ministerium, das für die nukleare Sicherheit zuständig ist.

Die FDP, die am Donnerstag in Person von Energiepolitiker Michael Kruse Habeck noch scharf kritisiert hatte, unterstützte den Wirtschaftsminister am Freitag hingegen. „Ich möchte auch sagen, so wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch, wie er entschieden hat“, sagte der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek dem „Spiegel“ nach einer von der Union kurzfristig einberufenen Sondersitzung zu dem Thema. Kruse hatte bei X geschrieben, er sei enttäuscht von Habeck. Deutschland sei „beim Kernkraftausstieg wissentlich hinter die Fichte geführt“ worden.

Wie hat Habeck auf die Kritik reagiert?

Habeck wies die Vorwürfe zurück. Die Auskunft der AKW-Betreiber sei im Frühjahr gewesen, dass die noch vorhandenen Brennelemente der letzten drei deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende ausgebrannt wären, sagte Habeck. „Später im Laufe des Jahres wurde diese Information korrigiert. Da hieß es dann, die können doch noch zwei, drei, vier, fünf Monate länger laufen und entsprechend wurde dann auch noch einmal die Laufzeit verlängert.“ Er versicherte: „Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet.“

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