Angst trotz Wohlstand

Warum Rentner auf Luxus und Lebensfreude verzichten


06.01.2025 – 13:32 UhrLesedauer: 3 Min.

Zufriedenes Rentnerpaar zu Hause (Symbolbild): Viele Rentner schränken sich im Alltag ein, obwohl sie finanziell abgesichert sind. (Quelle: PIKSEL)

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Eine neue Studie zeigt, dass Rentner oft mehr Geld sparen als nötig – aus Angst vor finanzieller Unsicherheit. Doch was steckt hinter diesem Phänomen?

Allein in Japan leben mehr als 90.000 mindestens 100-Jährige und damit die meisten ältesten Menschen weltweit. In Deutschland beziehen laut Deutscher Rentenversicherung über 18.000 Menschen über 100 Jahre eine Altersrente. Dank besserer medizinischer Versorgung, eines gestiegenen Lebensstandards und eines bewussteren Umgangs mit der eigenen Gesundheit hat sich der Anteil der über 100-Jährigen seit dem Jahr 2000 bis heute auf 570.000 Personen vervierfacht. Bis 2055 wird ein Anstieg auf 4,3 Millionen Menschen prognostiziert.

Mit fatalen Folgen für die finanzielle Situation vieler Rentner, die die 100 noch lange nicht erreicht haben. Aus Angst, das Vermögen könnte nicht bis zum Lebensende reichen, sparen wohlhabende Rentner mehr als nötig. Statt die „goldenen Jahre“ zu genießen, leben sie sparsam und verzichten auf Luxus, obwohl ihre finanzielle Situation einen deutlich höheren Lebensstandard erlauben würde.

Dieses in der Wissenschaft als „Oversaving“ bezeichnete Phänomen wurde nun in den USA untersucht. Der Begriff „Oversaving“ beschreibt die Tendenz, mehr Geld zurückzulegen, als zur Absicherung realistischer Risiken notwendig wäre. Eine aktuelle Studie des US-Unternehmens Prudential Financial kommt zu interessanten Ergebnissen – die auch auf deutsche Rentner zutreffen.

Die Prudential-Studie, bei der 20.000 Personen über 50 Jahre befragt wurden, ergab, dass selbst wohlhabende Rentner mit einem Finanzvermögen von mindestens 100.000 Dollar durchschnittlich nur 2,1 Prozent ihrer Ersparnisse pro Jahr ausgeben. Dies ist halb so viel, wie die Vier-Prozent-Regel empfiehlt, die seit Jahrzehnten als Leitlinie für eine nachhaltige Ruhestandsplanung gilt.

David Blanchett, Co-Autor der Studie und Leiter der Ruhestandsforschung einer Tochtergesellschaft von Prudential, erklärte, dass die wachsende Lebenserwartung – gepaart mit steigenden Lebenshaltungskosten – viele Rentner dazu verleite, mit ihren Ersparnissen übervorsichtig umzugehen.

„Die Aussicht, über 95 Jahre alt zu werden, ist für ältere Menschen immer wahrscheinlicher – und sie können darauf wetten, dass die Kosten für Wohnung, Gesundheitsversorgung, Rechnungen und Lebensmittel in dieser Zeit steigen werden“, so Blanchett.

Dieses Verhalten ist jedoch nicht nur in den USA zu beobachten. Auch in Deutschland sparen viele Rentner übermäßig, obwohl sie finanziell abgesichert sind. Gründe dafür liegen häufig in psychologischen und kulturellen Faktoren.

Ein zentraler Faktor ist die Angst vor finanzieller Unsicherheit. Viele Rentner befürchten, dass ihre Ersparnisse nicht ausreichen könnten, falls sie sehr alt werden oder unvorhergesehene Kosten entstehen, etwa für Pflege oder medizinische Behandlungen. Diese Ängste werden durch die Unsicherheiten im Rentensystem und die Sorge, dass die zukünftigen Rentenanpassungen nicht mit der Inflation Schritt halten können, verstärkt.

Ein weiterer Grund ist die Nachkriegsmentalität vieler älterer Generationen in Deutschland, die in einer Zeit großer Entbehrungen aufgewachsen sind. Sparsamkeit wurde als Tugend vermittelt, und diese Werte sind tief verankert.

Viele ältere Menschen haben ihr gesamtes Leben sparsam gelebt. Sie empfinden höhere Ausgaben als „unnötig“ und unangenehm. Luxus gilt als überflüssig. Hinzu kommt, dass viele Rentner den Wunsch verspüren, etwas für ihre Nachkommen zu hinterlassen, was ihren Konsum ebenfalls einschränkt.

Dieses Verhalten ist oft nicht nur rational, sondern auch emotional geprägt. Viele Rentner möchten schlichtweg sicherstellen, dass sie nicht in finanzielle Engpässe geraten, und leben lieber vorsichtig.

Doch längst nicht alle Rentner sind finanziell abgesichert. Besonders in den USA müssen viele ältere Menschen trotz Rente weiterarbeiten, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Laut Studie reicht bei 30 Prozent der über 65-Jährigen das Geld nicht aus. 11 Millionen Amerikaner über 65 Jahre sind erwerbstätig, fast doppelt so viele wie vor 35 Jahren.

Besonders schockierend: 43 Prozent der 55- bis 64-Jährigen besitzen laut Studie nur eine unzureichende oder gar keine Altersvorsorge. In Deutschland sind es dem Statistischen Bundesamt zufolge rund 13 Prozent der Rentner, die teils aus finanziellen Gründen weiterarbeiten und den Zusatzverdienst für Notfälle oder größere Anschaffungen nutzen.

Dies zeigt, dass der Ruhestand für viele Menschen kein sorgenfreier Lebensabschnitt ist, sondern mit wirtschaftlichen Herausforderungen verbunden bleibt.

Das Phänomen „Oversaving“ verdeutlicht, dass finanzielle Sicherheit allein nicht ausreicht, um im Ruhestand ein sorgloses Dasein zu führen. Vielmehr spielen psychologische, kulturelle und systemische Faktoren eine entscheidende Rolle.

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