
Hessens höchstes Gericht
Debatte um neues Wahlrecht: Ist das noch gerecht?
17.12.2025 – 20:09 UhrLesedauer: 3 Min.
Mit dem Streit um das neue Auszählverfahren bei der Kommunalwahl im März befasst sich nun auch Hessens höchstes Gericht. Worum geht es genau?
Benachteiligt Hessens neues Wahlrecht kleine politische Gruppierungen zugunsten größerer Parteien? Das höchste Gericht des Landes hat über den Streit um die neuartige Berechnung der Sitzverteilung bei den Kommunalwahlen verhandelt. Die FDP-Landtagsopposition hatte vor dem Staatsgerichtshof in Wiesbaden gegen die schwarz-rote Landesregierung geklagt.
Es geht um die nächsten Kommunalwahlen am 15. März. Der Präsident des Staatsgerichtshofs, Wilhelm Wolf, sagte, der Termin für die Urteilsverkündung werde noch bestimmt. In Justizkreisen hieß es, die Entscheidung, welches Wahlrecht schließlich gelte, werde naturgemäß noch vor den Wahlen erwartet.
Im Fokus ist das Auszählverfahren bei den Kommunalwahlen für die Vertretungen in 21 Kreistagen sowie in mehr als 420 Städten und Gemeinden in Hessen. Mit ihrer Wahlrechtsreform will die schwarz-rote Landesregierung die Sitzverteilung der kommunalen Parlamente neuartig berechnen lassen.
So möchte sie einer wachsenden Zersplitterung vorbeugen und Ein-Personen-Fraktionen verhindern, wie Innenminister Roman Poseck (CDU) vor Gericht bekräftigte. Laut Experten werden größere Parteien damit etwas begünstigt.
Poseck führte an seinem früheren Arbeitsort – er war selbst einst Präsident des Staatsgerichtshofs – weiter aus: „Extreme Kräfte nehmen immer mehr zu.“ Die demokratische Mitte gerate unter Druck. Umso mehr müssten Kommunen handlungsfähig bleiben.
In Frankfurts Stadtparlament etwa säßen bereits 16 Gruppierungen, ergänzte der Innenminister. Der Redebedarf und die Zahl der Anfragen stiegen. Sitzungen dauerten bis in die Nacht. Das sei eine „starke Belastung“ für ehrenamtliche Politiker.
Die FDP spricht von einem „Angriff auf die demokratische Vielfalt“. Der Wählerwille dürfe nicht verzerrt werden. Laut den Liberalen hätten CDU und SPD bei den Kommunalwahlen 2021 in Hessen 94 beziehungsweise 68 mehr Mandate bekommen, wäre damals schon das neue Berechnungsverfahren angewandt worden. Insgesamt hätten sich 272 Mandate verschoben, wie die FDP-Antragsteller in der mündlichen Verhandlung bekräftigten.
Hauptprofiteure seien die beiden Regierungsparteien CDU und SPD als Urheber der Wahlgesetzesänderung. Fälle von „Funktionsstörungen“ bei kommunalen Parlamenten wegen einer Zersplitterung der Parteien seien nirgends bekanntgeworden.
Die Freidemokraten als Antragsteller und die Landesregierung als Antragsgegnerin hatten beide je einen Mathematikprofessor als Sachverständigen in die mehr als dreistündige Verhandlung mitgebracht. Die Verfassungsrichterinnen und -richter stellten ihnen zahlreiche Verständnisfragen.
Klar wurde, dass sich bei allen Auszählungsverfahren bei der Umrechnung von Stimmen auf Mandate zwangsläufig Bruchteilergebnisse ergeben und daher keine Methode perfekt sein kann. Der von der FDP beauftragte Mathematik-Sachverständige Friedrich Pukelsheim erklärte, dass sich „Aufrundungsglück und Abrundungspech nicht verhindern lassen“.
Landesanwältin Monika Böhm, die in bundesweit einmaliger Position in Hessen als Verfassungsanwältin die Interessen der Öffentlichkeit vertritt, stufte die FDP-Klage als unbegründet ein. Es gebe keine bestmögliche Auszählmethode, der Gesetzgeber habe bei ihrer Auswahl einen Spielraum, sagte die Marburger Juraprofessorin.