Berlinale-Skandal

„Fassungslos“ – Diese Rede löst einen Aufschrei aus


Aktualisiert am 18.02.2025 – 07:37 UhrLesedauer: 3 Min.

Tricia Tuttle, Intendantin der Berlinale, bei einer Pressekonferenz. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)

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Bei einer Berlinale-Veranstaltung spricht ein Regisseur über den Gaza-Krieg, Empörung brandet auf. Die Intendantin bedauert den Vorfall. Der Staatsschutz ermittelt.

Der frühere Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat einmal gesagt, sein Festival lege es nicht auf Skandale an. In der Tat sind skandalträchtige Schlagzeilen aber genau das, was das Filmfest mindestens so häufig produziert wie überraschende Bären-Gewinner. Das mag daran liegen, dass sich das Festival auch als explizit politische Filmschau versteht, in der provokative, aufwühlende Streifen zum Pflichtprogramm gehören – und mit ihnen natürlich deren Regisseure und Darsteller.

Nun ist es wieder passiert. Nachdem der chinesisch-amerikanische Regisseur Jun Li am Samstag in der Veranstaltungshalle Urania eine Rede des Schauspielers Erfan Shekarriz vorgelesen hatte, der in seinem Berlinale-Beitrag „Queerpanorama“ mitspielt, schlugen die Wellen der Empörung hoch. In seinem Text bezichtigt Shekarriz Israel des Völkermords an den Palästinensern. Ein Videomitschnitt mit Teilen der Rede war später in den sozialen Medien zu sehen. In dem Redebeitrag hieß es, Millionen von Palästinensern erstickten unter Israels brutalem Siedlerkolonialstaat.

Nach der Rede Lis ermittelt nun der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin. Der Vorgang werde geprüft, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. Der Staatsschutz ist für politische Straftaten zuständig. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet. Lis Film war am Samstag im Rahmen des Festivalprogramms gezeigt worden, wie eine Berlinale-Sprecherin sagte. Er läuft nicht im Wettbewerb, sondern in der Sektion „Panorama“.

In seiner Rede, die von Li vorgetragen worden war, übt Shekarriz auch scharfe Kritik an der deutschen Politik: Die deutsche Regierung und ihre Kulturinstitutionen, einschließlich der Berlinale, würden ihren Beitrag leisten zur Apartheid, zum Völkermord und dem brutalen Auslöschen des palästinensischen Volkes. Als Reaktion aus dem Publikum gab es zustimmende, aber auch deutlich kritische Zwischenrufe.

In dem Beitrag war außerdem die umstrittene propalästinensische Parole „From the river to the sea, palestine will be free“ zu hören. Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer, dort, wo sich jetzt Israel befindet.

Die Intendantin des Filmfestivals, Tricia Tuttle, teilte mit, die Berlinale bedauere den Vorfall außerordentlich. „Wir haben unsere Gäste im Vorfeld darauf hingewiesen, welche politischen Äußerungen besonders sensibel und welche möglicherweise strafbar sind.“

Der Zentralrat der Juden in Deutschland schrieb auf der Plattform X mit Blick auf den Berlinale-Vorfall und die islamistische Terrororganisation Hamas: „Dass zu Hamas-Parolen Beifall aufbraust, macht fassungslos. (…) Wir gehen davon aus, dass ein solches Verhalten entsprechend sanktioniert wird.“

Der Vorfall weckt Erinnerungen an die Preisverleihung 2024, als einzelne Preisträger auf der Bühne das Vorgehen Israels massiv kritisiert hatten, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom Oktober 2023 zu erwähnen. In Statements war damals auch die Rede von Apartheid im Zusammenhang mit der Situation in den von Israel besetzten Gebieten sowie von Genozid (Völkermord) mit Blick auf das Vorgehen der Armee in Gaza.

Während der Rede gab es damals Beifall im Saal, und die Verantwortlichen reagierten erst, als im Anschluss Kritik bis hin zu Vorwürfen von Israelhass und Antisemitismus laut wurde. Der damalige Festivaldirektor Carlo Chatrian stellte sich vor die Künstler und Kulturschaffenden und verteidigte deren Aussagen indirekt.

Duzen Tekkal, Christian Berkel, Andrea Sawatzki, Ulrich Matthes und Berlinale-Chefin Tricia Tuttle (v.l.n.r.) zeigen ein Foto der israelischen Hamas-Geisel David Cunio. (Quelle: Annegret Hilse/dpa)

„Unabhängig von unseren eigenen politischen Ansichten und Überzeugungen sollten wir alle bedenken, dass die Meinungsfreiheit ein entscheidender Teil davon ist, was Demokratie ausmacht“, schrieben Chatrian und Berlinale-Programmchef Mark Peranson. Chatrian hatte sich nach der 74. Ausgabe der Berlinale von seiner Funktion zurückgezogen, für ihn übernahm Tuttle die Festivalleitung.

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