Talsohle erreicht
EZB-Expertin schließt steigende Zinsen 2026 nicht mehr aus
08.12.2025 – 17:14 UhrLesedauer: 3 Min.
Ist die Zeit niedriger Zinsen schon wieder vorbei? Eine zentrale EZB-Stimme bringt Bewegung in die Debatte – mit überraschend klaren Worten.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Einlagenzins innerhalb eines Jahres halbiert – von 4,0 auf 2,0 Prozent. Doch nun kommen überraschende Töne aus Frankfurt: Isabel Schnabel, Mitglied des EZB-Direktoriums, zeigt sich überzeugt, dass dieser Zins die Talsohle erreicht hat – also einen Punkt, an dem weitere Senkungen kaum noch infrage kommen. Damit steht erstmals wieder die Möglichkeit steigender Zinsen im Raum.
Innerhalb der EZB herrscht derzeit Uneinigkeit über den weiteren Kurs. Während viele Mitglieder des EZB-Rats betonen, dass der Leitzins in beide Richtungen angepasst werden könne, hebt sich Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel deutlich ab. Ihrer Meinung nach hat der Zins eine Untergrenze erreicht. Damit distanziert Schnabel sich von früheren Formulierungen, etwa der, dass der Zins auf einem „guten Niveau“ stehe.
In einem Interview mit „Bloomberg“ erklärte sie, „ziemlich zufrieden“ mit den Erwartungen von Märkten und Umfrageteilnehmern zu sein, wonach die nächste Entscheidung eine Zinserhöhung sein dürfte – wenn auch nicht in naher Zukunft. Das gilt als deutliches Signal: Schnabel hält einen Richtungswechsel der EZB-Politik für wahrscheinlicher, als viele Experten bislang angenommen haben.
Die Einschätzung von Schnabel stützt sich auf die Widerstandskraft der europäischen Wirtschaft. Trotz internationaler Handelskonflikte – etwa durch US-Zölle unter Präsident Donald Trump – sei das Wachstum deutlich stabiler ausgefallen als erwartet. Verbraucher profitierten von kräftigen Lohnerhöhungen und einer niedrigen Arbeitslosenquote, Unternehmen investierten wieder mehr.
Hinzu kommen staatliche Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur, die zusätzlich konjunkturstützend wirkten. Auch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz würden Investitionen fördern. Schnabel verweist auf Umfragen, die ein „solides Wachstum“ bis zum Jahresende nahelegen. Besonders wichtig: Die wirtschaftliche Unsicherheit habe schneller abgenommen als erwartet – das habe die Folgen externer Schocks deutlich abgemildert.
Während viele Beobachter auf weiter fallende Preise gehofft hatten, zeichnet sich inzwischen ein anderes Bild ab: Die Kerninflation – also jener Teil der Inflation ohne schwankende Energie- und Lebensmittelpreise – scheint nicht länger rückläufig zu sein. Gleichzeitig erholt sich die Wirtschaft, staatliche Ausgaben steigen, und die Produktionskapazitäten der Unternehmen werden wieder stärker ausgelastet.
All das sind Faktoren, die die Preise tendenziell nach oben treiben. Zwar wirken ein stärkerer Euro, günstigere Energie und veränderte Handelsströme aus China dämpfend auf die Teuerungsrate – doch insgesamt überwiegen laut Schnabel die Risiken. „Dies muss sehr sorgfältig beobachtet werden“, warnt sie mit Blick auf mögliche Preissteigerungen, die den bisherigen geldpolitischen Spielraum einschränken könnten.
