Die Gefahr einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung der Vogelgrippe wächst. Forscher warnen vor einer neuen globalen Seuche.

Aus 14 Bundesstaaten der USA werden Fälle von Vogelgrippe (H5N1) gemeldet, betroffen sind über 200 Milchviehherden. Das Virus wurde in den USA bislang bei 15 Menschen nachgewiesen. Was den Experten besondere Sorgen macht: Drei Menschen haben sich offenbar nicht direkt an Kühen infiziert, sondern waren Kontaktpersonen eines Infizierten.

Eine von ihnen wurde im August in Missouri hospitalisiert, zwei Mitarbeiter des Gesundheitswesens hätten nach dem Kontakt mit ihr ebenfalls Symptome entwickelt. Die Befürchtung: Das Virus könnte also auch von Mensch zu Mensch übertragen werden.

  • Auch der Virologe Christian Drosten hatte vor einer neuen Pandemie gewarnt.

Virus löste globale Pandemien aus

Diese Sorgen teilen auch Wissenschaftler des britischen Pirbright Institute. Ihr Ansatz: Nachdem das Virus schon bei einigen Arten von Säugetier zu Säugetier übertragen wird (etwa bei Meeressäugern, Pelztieren oder eben auch Rindern), werfen sie die Frage auf, ob als Nächstes der Mensch an der Reihe ist. Und sie kommen zu alarmierenden Ergebnissen: Nach ihren Erkenntnissen reichen die globalen Eindämmungsmaßnahmen zur Verhinderung einer eventuellen neuen Pandemie nicht aus. Schlimmer noch: sie funktionierten nicht.

Der Virologe Thomas Peacock erläutert: „Influenza-A-Viren (wie auch bei der Vogelgrippe, Anmerkung der Redaktion) haben in der Menschheitsgeschichte mehr dokumentierte globale Pandemien verursacht als jeder andere Krankheitserreger. Historisch betrachtet gelten Schweine als optimale Zwischenwirte, die Vogelgrippeviren dabei helfen, sich an Säugetiere anzupassen, bevor sie auf den Menschen überspringen.“ Nun hätten sich jedoch neue Evolutionspfade eröffnet.

Er bemängelt vor allem, dass H5N1 in den USA bei Geflügel zwar meldepflichtig ist, nicht aber bei Säugetieren. Das US-Landwirtschaftsministerium verlange Tests nur bei säugendem Vieh vor dem Transport zwischen Staaten, so Peacock. Bei Wildtieren werden nur Kadaver getestet. So bestehe die Möglichkeit, dass sich Virusvarianten unbemerkt verbreiteten.

Wörtlich heißt es: „Was den Wissenschaftlern schlaflose Nächte bereitet, ist die Möglichkeit, dass sich unbemerkt Übertragungsketten in Baracken von Landarbeitern, Schweineställen oder Entwicklungsländern ausbreiten und sich unbemerkt entwickeln, weil die Testkriterien eng sind, man Angst vor Regierungsbehörden hat oder die Ressourcen knapp sind.“

Impfstoffe für den Menschen vorhanden

Die Wissenschaftler fürchten, dass sich das Virus unter dem Radar entwickeln könnte. Sie fordern mehr Kontrolle und Überwachung sowie den Einsatz von Impfungen. Für Geflügel seien Grippeimpfstoffe zugelassen, die die Krankheitslast verringern, aber keine Infektion verhinderten und unterschiedliche Erfolgsquoten aufwiesen.

Für den Menschen gebe es Vorräte an H5-Impfstoffen, die ähnliche Antikörper gegen die H5N1 erzeugten. Sie könnten mithilfe von mRNA-Plattformen in großem Maßstab produziert werden, falls es zum Übersprung auf den Menschen kommt.

Die Situation bereitet Experten rund um die Welt Sorgen. Das Hauptrisiko liege nicht nur in der enormen Mutationsfähigkeit des Virus, sondern auch darin, dass H5N1-Viren „in der Vergangenheit vermehrt vom Tier auf den Menschen übergegangen“ sind, erläutert Influenzaforscherin Gülsah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg. Sie hätten dort zu einer „sehr hohen Letalität“ – also Sterblichkeit – geführt.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind bis zu 50 Prozent der Erkrankten, die sich in den vergangenen Jahren auf Vogelfarmen oder auf Wildtiermärkten im asiatischen Raum angesteckt haben, daran gestorben. In Deutschland hat sich nach Angaben des Robert Koch-Instituts bisher noch kein Mensch mit einem Vogelgrippevirus angesteckt.

Die britischen Forscher betonen: „Die Schwere einer zukünftigen H5N1-Pandemie ist noch unklar. Jüngste Infektionen mit H5N1 beim Menschen haben eine wesentlich geringere Sterblichkeitsrate als frühere H5N1-Ausbrüche in Asien, bei denen die Hälfte der gemeldeten Infizierten starb. Der geringere Schweregrad in den US-Fällen könnte eher auf eine Infektion über das Auge als auf eine virale Lungenentzündung zurückzuführen sein.“

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