Messungen von EU-Dienst Copernicus

Erwärmung erreicht Klima-Rekord

07.11.2024 – 04:57 UhrLesedauer: 4 Min.

Vermehrter Starkregen und häufigere heftige Wirbelstürme sind Folgen des Klimawandels. So warm wie in diesem Jahr war es seit Beginn der Aufzeichnungen nicht. (Archivbild) (Quelle: K.M. Chaudary/AP/dpa/dpa-bilder)

In diesem Jahr war es im Durchschnitt so warm, wie noch nie, seit es Klimaaufzeichnungen gibt. Ein wichtiger Richtwert ist erreicht.

Das aktuelle Jahr wird das wärmste Jahr seit dem Start der Klimamessungen. Das sagt der EU-Klimawandeldienst Copernicus voraus. Es sei so gut wie sicher das erste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn, in dem es im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel war. Das Pariser 1,5-Grad-Ziel zur Eindämmung der Klimakrise gilt damit aber noch nicht als verfehlt, da dafür auf längerfristige Durchschnittswerte geschaut wird.

Copernicus prognostiziert für das laufende Jahr, dass die durchschnittliche Temperatur weltweit sogar mindestens 1,55 Grad über dem weltweiten vorindustriellen Mittel liegen könnte. 2023 waren es 1,48 Grad. Schon damals sprach UN-Generalsekretär António Guterres von einem „Klimazusammenbruch“.

„Dies stellt einen neuen Meilenstein in der globalen Temperaturaufzeichnung dar und sollte als Beschleuniger dienen, um die Ziele für die bevorstehende Klimakonferenz COP29 zu erhöhen“, sagte die Vizedirektorin des EU-Klimawandeldienstes, Samantha Burgess, zu den aktuellen Daten. Der Klimawissenschaftler Mojib Latif ist allerdings skeptisch, was die Schlagkraft des Treffens angeht: „Die COPs sind offensichtlich nicht zielführend, und in Baku wird es auch keinen Durchbruch geben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Auch wenn man versuchen wird, die Abschlusserklärung als solchen zu verkaufen, wie so oft in den letzten Jahren.“

Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten die Staaten weltweit vereinbart, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, möglichst aber auf 1,5 Grad. „Das 1,5-Grad-Ziel hat einen hohen Symbolwert, erklärte der Klimawissenschaftler Steve Smith von der Universität Oxford. Eine klare Definition für diese politisch festgelegten Schwellen gibt es Experten zufolge allerdings bisher nicht. „Womöglich hatte man nicht damit gerechnet, dass wir so schnell in den Bereich kommen würden, wo sich solche Fragen stellen“, sagte Helge Gößling, Klimaphysiker am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven.

„Ohnehin ist es lächerlich, sich noch am 1,5-Grad-Ziel orientieren zu wollen“, sagte Latif. „Wir werden die 1,5 Grad reißen, und wir werden auch die 2 Grad reißen.“ Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steige immer schneller – und Land und Meer könnten künftig weniger des Treibhausgases aufnehmen. „Der Wald in Deutschland zum Beispiel nimmt in der Gesamtbilanz kein Kohlendioxid mehr auf, sondern ist zur CO2-Quelle geworden, weil es ihm so schlecht geht“, erläuterte der Klimaforscher. Ähnliche Entwicklungen gebe es in anderen Regionen der Erde.

Politiker sähen es zumeist so, dass die 1,5-Grad-Schwelle erst als gerissen zu betrachten sei, wenn die mittlere Jahrestemperatur zwei Jahrzehnte lang dauerhaft über diesem Wert lag, sagte Latif, Seniorprofessor am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Eine solche Betrachtung sei jedoch unsinnig: Der Treibhausgas-Ausstoß sei auch im vergangenen Jahr wieder historisch hoch gewesen, alle Klimaparameter wiesen in die falsche Richtung. Es sei absolut klar, dass die Erderwärmung weiter zunehmen werde – für eine Bestätigung müsse man keine 20 Jahre warten.

Wann die 1,5-Grad-Schwelle als erreicht gilt, sei längst nicht mehr die Kernfrage, betonte auch Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wann sind wir bei den Emissionen auf netto Null, das muss das Ziel sein, darum muss es Wettbewerb geben.“ Ohne gestoppten Ausstoß werde es immer weiter einen Temperaturanstieg geben, sagte der Klimaforscher der dpa. Eine Folge seien mehr und stärkere Starkniederschläge, wie sie gerade erst die Region um Valencia in Spanien trafen. „Es werden weiter Menschen sterben, umso mehr, je stärker wir die Temperaturen nach oben treiben.“

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