Neuwahl des Bundestags
Erstes Wahlkampfduell: Merz attackiert – Scholz verteidigt
Aktualisiert am 13.11.2024 – 17:10 UhrLesedauer: 5 Min.
Die Ampel ist kaputt, der Neuwahltermin steht, nun beginnt der Wahlkampf. Der Auftakt im Bundestag gibt einen Vorgeschmack darauf, wie hart er werden könnte.
Eine Woche nach dem Ampel-Aus hat Oppositionsführer Friedrich Merz mit scharfen persönlichen Angriffen gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag den Wahlkampf eröffnet. Der CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat sprach Scholz in seiner Antwort auf dessen Regierungserklärung jede Regierungs- und Führungskompetenz ab. „Sie spalten das Land, Herr Bundeskanzler. Sie sind derjenige, der für diese Kontroversen und für diese Spaltung in Deutschland verantwortlich ist. So kann man ein Land einfach nicht regieren.“
Scholz hatte zuvor in einer Regierungserklärung die Entlassung seines Finanzministers Christian Lindner (FDP) und das damit verbundene Aus der Ampel-Koalition als „unvermeidlich“ verteidigt. Gleichzeitig warnte er vor einer Spaltung des Landes und rief dazu auf, in der Politik weiter auf Kompromisse zu setzen. „Ich bin überzeugt. Der Weg des Kompromisses bleibt der einzig richtige Weg.“
Der gefeuerte Ex-Finanzminister Lindner warf Scholz vor, mit der Forderung nach Aussetzen der Schuldenbremse den Koalitionsbruch provoziert zu haben. „Das war die Forderung nach politischer Unterwerfung oder provoziertem Koalitionsbruch“, sagte er. „Manchmal ist eine Entlassung auch eine Befreiung.“
Die Debatte setzt den Schlusspunkt unter die schmutzige Scheidung der Ampel-Koalition nach knapp drei Jahren Zweckehe. Nach einem erbitterten Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik hatte Scholz vor einer Woche seinen Finanzminister gefeuert und das Ende des Dreier-Bündnisses herbeigeführt.
Er führt nun eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen und will am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Erhält er wie erwartet keine Mehrheit, findet die Neuwahl am 23. Februar statt. Bis dann bleiben 102 Tage für den Wahlkampf. Die Regierungserklärung und die anschließende zweistündige Debatte war quasi der Auftakt dazu und sie gab einen Vorgeschmack darauf, wie hart dieser Wahlkampf werden könnte.
Merz warf der SPD vor, ihn schmutzig Bundestagswahlkampf führen zu wollen. „Seit gestern kursieren im Netz KI-generierte Fake-Videos über mich. So weit, so schlecht“, sagte er an die Adresse von Scholz. „Aber dass sie von sozialdemokratischen Abgeordneten gepostet werden und weitergeleitet werden, das gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise des Wahlkampfes, den Sie hier in Deutschland offensichtlich bereit sind zu führen.“ Merz reagierte damit offenbar darauf, dass der schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt ein Video auf seinem Instagram-Account geteilt hatte.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte später: Sollte sich eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter seiner Fraktion tatsächlich fragwürdiger KI-Technik bedient haben, „dann werde ich dafür sorgen, dass dieser oder diese Abgeordnete sich bei Ihnen entschuldigen, Herr Kollege Merz“.
Die Regierungserklärung von Scholz bezeichnete Merz als „Geisterstunde“. „Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Bundeskanzler, ist nicht von dieser Welt.“ Der Kanzler habe nicht verstanden, was in diesem Land los sei.
Die Rede des Kanzlers war dagegen vergleichsweise defensiv. Öffentlicher Streit dürfe nie wieder die Arbeit der Regierung überlagern, sagte er. „Natürlich funktioniert das nicht mit der Faust auf den Tisch“, verteidigte er seinen Regierungsstil. Er rief alle Demokratinnen und Demokraten dazu auf, einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Dies sei die zentrale Frage bei der anstehenden Neuwahl im Februar. „Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder gegen jeden kommt“, sagte der SPD-Politiker.
Er sprach sich für mehr Investitionen in Sicherheit aus. Das dürfe aber niemals zulasten von Rente, Gesundheit oder Pflege gehen. Sicherheit und Zusammenhalt – das eine sei ohne das andere nicht zu haben. „Dieses „entweder oder“ ist falsch und führt unser Land in die Irre.“ Das „entweder oder“ sei ein Konjunkturprogramm für Populisten und Extremisten. „Das schadet und zerreißt Deutschland.“
Die Union rief Scholz dazu auf, nun vor der Auflösung des Bundestags gemeinsam noch wichtige Gesetze miteinander zu beschließen. „Lassen sie uns da, wo wir einig sind, auch einig handeln. Es wäre gut für unser Land“, sagte er.
Konkret nannte Scholz Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression bei der Einkommensteuer, die zum 1. Januar 2025 gelten sollten. Nötig sei zudem, schnell möglichst viel von der vorgesehenen Regierungsinitiative für mehr Wachstum zu beschließen. Auch eine Kindergelderhöhung solle Anfang 2025 kommen. Der Kanzler nannte außerdem Grundgesetzänderungen, um das Bundesverfassungsgesetz stärker gegen mögliche politische Einflussnahmen zu wappnen.