Nach den Landtagswahlen

Erste Schritte auf dem Weg zu „Brombeer“-Koalitionen

Aktualisiert am 24.09.2024 – 04:30 UhrLesedauer: 4 Min.

Regierungsbildung in drei Bundesländern wird schwierig. (Archivbild) (Quelle: Friso Gentsch/dpa/dpa-bilder)

Zaghaft nähern sich CDU, SPD und BSW nach drei Landtagswahlen an. Die BSW-Forderung nach Außenpolitik auf Landesebene bleibt ein Knackpunkt.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg kommt langsam Bewegung in die Regierungsbildung. Beteiligt sind in allen drei Ländern CDU, SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). In Sachsen und Thüringen waren am 1. September neue Landtage gewählt worden, in Brandenburg am vergangenen Sonntag. Die Bildung von Koalitionen dürfte aber in allen drei Ländern schwierig werden.

Ein mögliches Bündnis dieser drei Parteien wurde zuletzt als „Brombeer-Koalition“ bezeichnet, weil diese Frucht in ihren verschiedenen Reifegraden die Parteifarben abbildet. Ein Knackpunkt für Gespräche ist die Vorbedingung des BSW, bei eventuellen Beteiligungen an Landesregierungen eine Absage an die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und die Forderung nach mehr Diplomatie im Ukraine-Krieg in Koalitionsverträge aufzunehmen.

BSW-Gründerin und Namensgeberin Wagenknecht verteidigte diese Position am Abend. Sie verwies in der ARD-Sendung „hart, aber fair“ darauf, dass es im Bundesrat, also der Länderkammer, auch einen Auswärtigen Ausschuss gebe. Schließlich beträfe eine mögliche Ausweitung des Krieges auch die Bundesländer, letztlich auch, weil durch höhere Militärausgaben Geld an anderer Stelle fehle. Wenn das BSW in Landesregierungen gehe, müsse sich für die Menschen etwas ändern, mahnte Wagenknecht.

Die BSW-Chefin hatte sich in Berlin bereits mit Thüringens CDU-Chef Mario Voigt und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) getroffen. Über die Inhalte drang bisher nicht viel nach außen. Sie habe ein Gefühl bekommen wollen, ob auf der anderen Seite ein ehrliches Interesse vorhanden sei, sagte Wagenknecht in der ARD. Zumindest „Aufgeschlossenheit“ sei vorhanden gewesen.

Am weitesten sind die potenziellen Partner in Thüringen. Die Landesvorstände von CDU, SPD und BSW sprachen sich für Sondierungen aus. Geplant sei, diese kommende Woche aufzunehmen, wie der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt am Montag in Oberhof bekanntgab. Die CDU will dazu BSW und SPD einladen. Bei der Landtagswahl wurde die AfD erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft. CDU, BSW und SPD kommen zusammen nur auf 44 der 88 Sitze im Parlament und wären auf das Verhalten der Linken angewiesen, um Gesetze zu verabschieden. Eine direkte Koalition mit der Linken mit Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow verbietet ein Unvereinbarkeitsbeschluss für die gesamte CDU.

Im Freistaat trafen sich am Montag Vertreter von CDU, BSW und SPD. Das Treffen dauerte sechs Stunden. Über Details wurde zunächst nichts bekannt. Von Sondierungen oder Koalitionsverhandlungen ist noch nicht die Rede. Es wurden aber weitere Gespräche vereinbart.

Die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte die Landtagswahl knapp vor der AfD gewonnen. Für eine Fortsetzung der alten Koalition aus CDU, SPD und Grünen hatte es nicht mehr gereicht. Da die CDU mit der AfD nicht koaliert, ist sie bei einer Mehrheitsregierung auf das BSW angewiesen.

Brandenburg: Einladungen zu Sondierungen

Die siegreiche SPD von Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke will Sondierungsgespräche mit BSW und CDU aufnehmen, wie die Parteispitze beschloss. „Mein Ziel ist es, eine stabile Regierung zu bilden“, sagte Woidke. Ein Gespräch könne jeweils – wenn terminlich möglich – Ende dieser Woche stattfinden, teilte die Partei mit.

Der Wahlsieger SPD kann mit dem BSW eine Koalition bilden, aber auch noch die CDU für eine deutlichere Mehrheit beteiligen. Die SPD kommt auf 32 der 88 Sitze, das BSW auf 14 und die CDU auf 12. Das BSW hatte noch keine Entscheidung getroffen und verweist auf innerparteiliche Gespräche am Mittwoch. Die Landes-CDU sieht sich eher in der Opposition, will sich aber Gesprächen nicht verweigern.

Auf Bundesebene debattieren die Ampel-Parteien über die Zukunft ihres Bündnisses gut ein Jahr vor der Bundestagswahl. Die SPD fuhr in Brandenburg zwar einen Wahlsieg ein, Grüne und FDP wurden hingegen stark gerupft. Die Grünen flogen aus dem Landtag mit 4,1 Prozent, die Liberalen sind mit 0,8 Prozent kaum noch wahrnehmbar in dem Bundesland.

Entsprechend nehmen die Fliehkräfte in der Koalition zu. FDP-Chef Christian Lindner spricht von einem „Herbst der Entscheidungen“ mit grundlegenden Maßnahmen in der Wirtschafts- und Migrationspolitik sowie zum Bundeshaushalt 2025. FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußerte gar Zweifel, ob die Koalition bis Weihnachten durchhält.

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagte im ZDF-„heute journal“, er könnte die Frustration und Zweifel gut verstehen, ob die Koalition gegen die schlechte Wirtschaftslage etwas ausrichten könne. „Nur man muss es versuchen und man sollte in dieser Zeit nicht leichtfertig oder spielerisch mit einem Aus dieser Koalition kokettieren“, mahnte er. Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP) warnte in der „Rheinischen Post“: „Die FDP darf auf keinen Fall aus der Ampel-Koalition aussteigen. Das wäre Selbstmord.“ Bei Neuwahlen kämen die Liberalen womöglich nicht mehr in den Bundestag, warnte der 91-Jährige. „Unser Land und die Welt haben jetzt ganz andere Probleme. Ein Ausstieg der FDP aus der Ampel wäre eine Flucht vor der Verantwortung.“

SPD-Chef Lars Klingbeil forderte „massive Investitionen“ jenseits der bisher vereinbarten Wachstumsinitiative. Im Magazin „Stern“ sprach sich Klingbeil für niedrigere Energiepreise, einen Industriestrompreis aus und einen Ausbau der Netze aus. Hier müsse auch der Staat unterstützen, damit die steigenden Netzentgelte nicht weiter auf Verbraucher und Unternehmen umgelegt würden. Damit fordert Klingbeil die FDP heraus, die zusätzliche Investitionen bislang ablehnt und macht zudem Druck auf den Kanzler, der einen Industriestrompreis ablehnend gegenübersteht.

Aktie.
Die mobile Version verlassen