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Jahrzehntelang lebte Ruslan Rümschüssel in Berlin. Dann wanderte er wegen eines Vorfalls nach Russland aus, wo er jetzt in Propagandamedien die Verkommenheit des Westens predigt.

Dass Ruslan Rümschüssel von Berlin nach Russland auswanderte, hängt mit einer „Frau mit angeklebtem Schnurrbart“ zusammen, wie er selbst immer wieder behauptet. Die habe bei einer Veranstaltung in einer großen Berliner Arena die Männertoilette besuchen wollen. Er habe beim Sicherheitsdienst in der Arena gearbeitet und das nicht zugelassen, erzählt Rümschüssel dem russischen Medium „Regnum“ in einem langen Interview.

Das Nachrichtenportal „Regnum“ gilt als Teil der russischen Propagandamaschinerie. Der Mitgründer und langjährige Chefredakteur Modest Kolerov wurde kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 persönlich auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. Auch die aktuelle Chefredakteurin Marina Achmedowa steht auf Sanktionslisten. Sie hat das Interview mit Rümschüssel persönlich geführt.

Der Vorfall mit der trans Person habe zu Konflikten mit seinem Arbeitgeber geführt, berichtet Rümschüssel weiter. Man habe diesen als Vorwand genutzt, um gegen ihn vorzugehen, behauptet er. Schon vorher habe er sich prorussisch geäußert und sei damit angeeckt. Nun habe der Arbeitgeber ihn dazu aufgefordert, „das Putin-Regime und die SVO“ schriftlich zu verurteilen. SVO ist die russische Abkürzung für „militärische Spezialoperation“, wie der Angriffskrieg auf die Ukraine vom Putin-Regime beschönigend genannt wird.

Weil er sich geweigert habe, sei er gefeuert worden. „Ich verurteile die SVO nicht, ich bin für Putin“, sagt Rümschüssel. Die Menschen in der Ukraine würden „unter der Unterdrückung durch das Nazi-Regime von Selenskyj“ leiden. Die Interviewerin und er sind sich darüber einig, dass er im Grunde gefeuert worden sei, weil er Russe ist. Weil die Deutschen die „Lüge“ glauben würden, dass Russland an allem schuld sei, habe er das Land verlassen.

Die deutsche Mutter ist mit ihm nach Russland gegangen

Sein Vater sei Russe, seine Mutter Deutsche, berichtet Rümschüssel bei „Regnum“. Die Eltern hätten sich in Berlin kennengelernt, der Vater sei sowjetischer Offizier gewesen. Aufgewachsen sei er in der Sowjetunion. Die Eltern hätten sich 1983 scheiden lassen, dann sei seine Mutter wieder nach Deutschland gezogen. Wann er selbst nach Deutschland kam, erwähnt er nicht. Jetzt hat er seine deutsche Mutter wieder mit nach Russland genommen, sie leben in Weliki Nowgorod. Im Januar berichtete ein lokales Medium darüber, dass Rümschüssels Mutter feierlich die russische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei.

Der Vorfall mit dem trans Mann, von dem Rümschüssel spricht, soll sich in der Berliner Uber-Arena zugetragen haben, die damals noch Mercedes-Benz-Arena hieß. Mindestens zwanzig Jahre lang war der mittlerweile 61-Jährige in der Sicherheitsbranche in der Hauptstadt tätig, arbeitete unter anderem als Sicherheitsbeauftragter für das Eishockeyteam Eisbären Berlin.

Heimspiel der Eisbären Berlin in der heutigen Uber-Arena (Archivbild): Es soll immer wieder Beschwerden über Rümschüssel gegeben haben. (Quelle: IMAGO/Eibner-Pressefoto / Claudius Rauch)

Ein Sprecher der Anschutz Entertainment Group, der sowohl die Eisbären als auch die Uber-Arena gehören, kennt Rümschüssel. Bereits vor über 20 Jahren sei er bei Eisbären-Spielen im Einsatz gewesen. Direkt beim Klub angestellt sei er aber nie gewesen, sondern immer bei externen Dienstleistern. Der Vorfall mit dem trans Mann, den Rümschüssel beschreibt, sei ihm nicht bekannt, sagt der Sprecher. Es habe aber in der Vergangenheit mehrere Beschwerden von queeren Gästen über Rümschüssel gegeben, die sich von ihm unangemessen behandelt gefühlt hätten. Konkrete Vorfälle nannte der Sprecher nicht. Die Beschwerden seien immer an den Dienstleister weitergeleitet worden.

Rümschüssel war zuletzt für den Sicherheitsdienst B.E.S.T. tätig. Ein Sprecher des Unternehmens teilt auf t-online-Anfrage mit, dass der von ihm beschriebene Vorfall mit der trans Person dem Unternehmen nicht bekannt sei. Es habe kein Gespräch mit Rümschüssel gegeben, bei dem von ihm ein politisches Bekenntnis verlangt worden sei. Ob Rümschüssel in der Vergangenheit als queerfeindlich aufgefallen ist oder wann und warum er entlassen wurde, will der Sprecher nicht beantworten.

Ob es den Vorfall in der Arena also tatsächlich so gegeben hat, wie von Rümschüssel beschrieben, ist unklar. Russische Medien lieben die Geschichte aber offenbar, mehrfach wurde sie aufgegriffen. Nach dem langen Interview zu seiner „Flucht“ aus Deutschland nach Russland durfte Rümschüssel selbst mehrere Artikel für „Regnum“ verfassen, in denen er als Zeuge für die angebliche Verkommenheit Europas auftritt und den russischen Angriffskrieg zur heldenhaften Befreiungsaktion umdichtet.

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