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Immer mehr Gastrobetriebe in Frankfurt setzen auf digitale Trinkgeldsysteme. Doch diese Entwicklungen stoßen nicht überall auf Zustimmung.

Mittagspause in einem Lokal in der Frankfurter Innenstadt. Nach einem schnellen Lunch fragt man die Servicekraft nach der Rechnung. Wer mit der Karte zahlen will, dem wird seit einiger Zeit auf dem Display des Lesegeräts die Frage gestellt: „Möchten Sie 5, 10, 15 Prozent oder gar kein Trinkgeld geben?“

Digitale Trinkgeldsysteme sind in deutschen Großstädten auf dem Vormarsch. In Frankfurt selbst trifft man sie immer öfter dort, wo mit Karte gezahlt werden kann – im beliebten Szenecafé um die Ecke, im hippen Bistro-Restaurant oder sogar beim Biobäcker. So allgegenwärtig das System mittlerweile in der Mainmetropole ist – es gibt auch Gastronomen, die sich klar dagegen entscheiden. Einer von ihnen ist Frank Winkler, Inhaber der Apfelweingaststätte „Daheim im Lorsbacher Thal“.

Winkler und seine Mitarbeiter möchten sich in ihre Gäste hineinversetzen: „Wenn ich in einen Laden gehe und ich kann nur zwischen 10 oder 15 Prozent Trinkgeld wählen, bekomme ich einen Hals“, sagt er im Gespräch mit t-online. Für Winkler sei es wichtig, dass seine Gäste selbst entscheiden können, wie viel Trinkgeld sie geben oder ob sie überhaupt welches dalassen wollen.

Er wolle nicht, dass seine Gäste sich gegängelt fühlen oder den Druck verspüren, etwas geben zu müssen. „Die Konsequenz bei vielen Gästen ist, dass sie vielleicht sogar 10 oder 15 Prozent Trinkgeld geben; aber denen geht das Klappmesser in der Hose auf. Man wird einfach sauer“, so Winkler.

Auch der Druck, den ein Gast verspüre, wenn der Kellner erwartungsvoll am Tisch steht und darauf wartet, dass der Bewirtete eine Entscheidung trifft, sei aus Winklers Sicht unzumutbar. Das digitale Trinkgeldsystem würde den Vorgang am Ende eines Abends in einer Gaststätte „entemotionalisieren“.

Doch was sagen eigentlich jene, in deren Tasche das Trinkgeld schließlich wandert? t-online hat sich mit Frankfurter Kellnern unterhalten. „Für uns ändert das digitale Trinkgeldsystem wenig“, sagt ein Frankfurter Kellner, der bereits seit vielen Jahren in der Branche tätig ist. Das Trinkgeld hängt seiner Meinung nach nicht davon ab, ob es auf dem Display eingefordert wird oder nicht.

„Wer Trinkgeld geben möchte, hat es vorher schon getan und wird es auch weiterhin tun – nun halt auch digital“, sagt er. Jene, die zuvor schon knauserig mit dem Trinkgeld gewesen seien, werden es auch bleiben, so seine Einschätzung. „Eventuell ist es für diese Sorte Gast sogar angenehmer, also auf digitalem Wege, keins zu geben. Schließlich ist die eigene Knauserigkeit etwas anonymer“, so der Kellner.

t-online hat auch mit einem Studenten gesprochen, der neben seinem Studium in einem kleinen Restaurant kellnert, um sich die Ausbildung zu finanzieren. Er befürwortet das digitale Trinkgeldsystem und betont, wie wichtig das Trinkgeld für viele Servicekräfte ist und dass das manchmal angeführte Gegenargument, Servicekräfte würden hierzulande ohnehin schon ausreichend bezahlt, nicht hinreichend sei. Anders sieht er das jedoch beim Kaffee to go ohne Bewirtung, der mit Karte bezahlt wird. Hier würden Prozentvorschläge auf dem EC-Gerät dem Sinn und Zweck des Trinkgeldes entgegenstehen – nämlich die Zufriedenheit mit der Bewirtung auszudrücken.

Doch wird das digitale Trinkgeld von den Gästen als unangenehme Aufforderung empfunden oder doch eher als höflicher Reminder? Die 22-jährige Kristin Biernath ist Studentin und verbringt in ihrer Freizeit oder ihren Mittagspausen viel Zeit in Cafés in ihrer Nachbarschaft: „In dem Café bei mir um die Ecke kann man nur mit Karte zahlen. Als unhöflich empfinde ich das nicht, eher als wichtig und richtig“, sagt sie.

Gerade bei der Kartenzahlung würden viele Menschen kein Trinkgeld geben, da es bei den meisten als Bargeld-Angelegenheit deklariert sei. Durch die neuen Systeme würden sich Menschen nicht mehr davor „drücken“ können, mit der Ausrede, man habe ja kein Bargeld. Für viele, die in der Gastronomie arbeiten, sei ein gutes Trinkgeld anspornend für den Job, meint die Studentin.

In Deutschland ist das digitale Trinkgeldsystem noch etwas neuer, in anderen Ländern wie etwa den USA, Australien oder England bereits gängige Praxis in den Gastwirtschaften. Gerade in den USA sei es normal, höhere „Tips“, also Trinkgeld, zu geben, da die Kellner dort ein geringeres Nettoeinkommen haben, sagt Frank Winkler.

Dort tippe man auch mal 20 Prozent, so der Gastronom. In Deutschland würden hingegen bessere Bedingungen für Angestellte in der Gastronomie herrschen. Hinzu komme, dass der deutsche „Standard“ sich bei 10 Prozent Trinkgeld bewege.

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