Erneut fand am Wochenende in Hamburg eine islamistische Demonstration statt. Eine der Auflagen der Versammlungsbehörde war ein Verbot der Forderung nach einem Kalifat in Deutschland. Doch was ist das überhaupt?

Am vergangenen Samstag hat in Hamburg erneut eine islamistische Demonstration stattgefunden. Dazu aufgerufen hatte die vom Landesverfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ eingestufte Organisation „Muslim interaktiv“. Sie gilt als Nachfolgeorganisation der Hizb ut-Tahrir, die seit 2003 in Deutschland verboten ist. Das Motto der Kundgebung war „Stoppt den Genozid gegen unsere Uigurischen Geschwister in Ostturkistan“.

Laut NDR waren rund 1.600 Menschen dem Aufruf gefolgt, angemeldet war die Kundgebung für 2.000 Teilnehmer. Auf Schildern forderten Teilnehmer unter anderem ein „Kalifat im Nahen Osten“ sowie „Stoppt den Genozid in Palästina“ und „Stoppt den Vernichtungskrieg im Libanon“. Mehr zu der Demonstration lesen Sie hier.

Bereits Ende April hatte es eine islamistische Demonstration von „Muslim interaktiv“ in Hamburg gegeben. Auf Transparenten forderten die Teilnehmer damals unter anderem ein Kalifat in Deutschland. Mehr zu der Demo im April lesen Sie hier. Forderungen nach einem Kalifat in Deutschland wurden für die Kundgebung am vergangenen Samstag als ein Teil umfangreicher Auflagen untersagt. Doch was will „Muslim Interaktiv“ und was ist ein Kalifat überhaupt? t-online gibt einen Überblick.

Der Hamburger Verfassungsschutz schätzt die Gruppe als gesichert extremistisch ein, sie soll zudem der 2003 verbotenen islamistischen Bewegung „Hizb ut-Tahrir“ nahestehen. Wie groß die Bewegung ist, ist für Experten nur schwer einzuschätzen. Seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem anschließenden Krieg in Gaza hat die Szene ein deutlich größeres Mobilisierungspotential. Auf Demonstrationen von „Muslim Interaktiv“ wird auch darauf Bezug genommen: „Staatsräson tötet“ steht etwa auf Plakaten – gemeint ist das deutsche Selbstverständnis, für Israels Existenz einzutreten.

„Muslim Interaktiv“ hebt sich von anderen Gruppen durch ein professionelles Auftreten in Sozialen Medien auf, etwa durch hochwertig produzierte Videoclips. Auf von Jugendlichen stark genutzten Plattformen wie TikTok erfreuen sich diese Kurzclips großer Beliebtheit. Sie werden teils mehr als 100.000-mal abgerufen.

In einem anderen besonders beliebten Video erklärt der Redner Joe Adade Boateng einen Botschafter der Vereinigten Arabischen Emiraten zum Verräter – weil der sich mit dem israelischen Präsidenten getroffen hatte. „Muslim Interaktiv“ zeigt sich zudem besonders reaktionär, wenn es um Frauen geht. Dass Saudi-Arabien in diesem Jahr zum ersten Mal offiziell eine Frau bei einem Schönheitswettbewerb teilnehmen ließ, kommentiert Boateng mit den Worten: „Saudi Arabien beschmutzt den Islam.“ Die nackten Schultern der Frau werden nur verpixelt gezeigt. „Wie viel sollen wir Muslime eigentlich noch tolerieren?“, fragt Boateng in die Kamera.

Ein Kalifat ist eine islamische Regierungsform. Der Herrscher eines solchen Kalifats wird Kalif genannt. Er verbindet die weltliche und geistliche Führerschaft in seinem Herrschaftsgebiet in einer Person. Die Rechtssprechung in einem Kalifat fußt auf der Scharia, der im Islam von Gott gesetzten Ordnung.

Die Idee des Kalifats geht auf den Religionsstifter des Islam zurück, den Propheten Mohammed. Schon er regierte sowohl als religiöser Führer als auch weltlicher Herrscher über Medina.

Laut dem Historiker Hugh Kennedy hat es in der Geschichte der Kalifate kein einheitliches Bild dieser Herrschaftsform gegeben. „Wer ein aggressives Kalifat sucht, in dem die muslimische Bevölkerung strikt kontrolliert wird, kann in den umfangreichen historischen Dokumenten Vorläufer dafür finden“, schreibt der Forscher. „Wer ein Kalifat sucht, das großzügig und offen für Ideen und Sitten ist, dabei aber selbstverständlich seiner Sicht des Willens und der Absichten Gottes treu bleibt, wird ebenfalls in der historischen Überlieferung fündig.“

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