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Einst entdeckt und plötzlich verschwunden: Verlorene Asteroiden sind ein Rätsel der Astronomie. Und manchmal werden die Himmelskörper zur Bedrohung für die Erde.

Ein Gedankenexperiment: Sie haben Ihren Schlüssel verlegt und haben zwar eine Idee, wo er sich befinden könnte, trotzdem bleibt die Suche erfolglos. Und sie ahnen: Möglicherweise finden sie Ihren Schlüssel nie wieder. So ähnlich geht es Astronomen mit den sogenannten verlorenen Asteroiden. Der Unterschied: Ein verlorener Schlüssel ist ärgerlich. Wenn aber ein Asteroid nicht wiedergefunden wird, kann das gefährlich sein. Denn von den vielen Tausend Himmelskörpern, die als verloren gelten, schätzen Astronomen einige als für die Erde bedrohlich ein – eine Bedrohung, die Astronomen unbedingt abwehren wollen. Weltweit arbeiten Forscher gemeinsam daran, die verschwundenen Asteroiden wiederzufinden.

Doch was sind verlorene Asteroiden eigentlich? Das sind Himmelskörper, die irgendwann einmal von Astronomen entdeckt und beobachtet wurden, deren genaue Positionen jedoch nicht mehr bekannt sind. Besonders in der frühen Astronomie, als die Beobachtungstechniken weniger genau waren als heutige Methoden, verschwanden viele Himmelskörper wieder aus unserem Blickfeld.

Ein berühmtes Beispiel ist der Zwergplanet Ceres, der sich im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter befindet. Nach seiner Entdeckung im Januar 1801 verloren Forscher den Himmelskörper aus den Augen. Erst Monate später wurde Ceres vom deutschen Astronomen Franz Xaver Freiherr von Zach wiedergefunden – ein Glücksfall in der modernen Astronomie, der nicht immer gelingt.

Ceres ist ein Zwergplanet und das größte und massereichste Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. (Quelle: xPandorumBSx via imago-images.de/imago)

Denn manchmal bleiben Himmelskörper verschwunden, so wie der Asteroid 1979 XB, der im Dezember 1979 entdeckt wurde. 1979 XB gilt als erdnahes Objekt (englisch: Near Earth Object, NEO) und als ein für die Erde potenziell gefährlicher Asteroid mit einem Durchmesser von rund 400 bis 900 Metern.

Der Physiker Richard Moissl, der das Planetary Defense Office (Büro zur Planetenverteidigung) der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa) leitet, sagte im Gespräch mit t-online: „Es gibt eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit, dass er [1979 XB, Anm. d. Red.] innerhalb der nächsten 100 Jahre mit der Erde kollidieren könnte.“ Das mache den Asteroiden faszinierend und beunruhigend zugleich, so der Wissenschaftler.

Und tatsächlich: Laut einer Risikoliste der Esa könnte ein Einschlag des Asteroiden auf der Erde am 12. Dezember 2056 um 21:38 Uhr erfolgen. Wo er einschlagen könnte, ist nicht bekannt. Aber eins steht fest: Die Auswirkungen eines Einschlags in der Nähe einer bewohnten Region wären verheerend. Zum Vergleich: Der Meteor, der 2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk zerbrach, war nur etwa 20 Meter groß. Damals wurden mehr als 1.500 Personen verletzt.

Durch die Druckwelle eines zerbrechenden Meteoriten entstanden heftige Schäden in Tscheljabinsk. (Quelle: reuters)

„Der Meteor von Tscheljabinsk war ein besonderer Fall“, sagt Moissl. Der Himmelskörper sei aus Richtung der Sonne zu uns geflogen. Solche kleinen Objekte ließen sich momentan kaum erkennen.

Aber wie kann ein 900 Meter großer Brocken verschwinden? Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Neben schon erwähnten unpräzisen Beobachtungstechniken in der frühen Zeit der Astronomie kann es zum Beispiel vorkommen, dass Forscher neu entdeckte Objekte nicht lange genug beobachten können, um ihre weiteren Umlaufbahnen zu berechnen.

(Quelle: ESA / J. Mai)

Der Astrophysiker Richard Moissl ist Leiter des Planetary Defense Office bei der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). In seiner Rolle ist er für die Überwachung und Erforschung erdnaher Objekte (Near-Earth Objects, NEOs) zuständig, die eine potenzielle Gefahr für die Erde darstellen könnten. Moissl arbeitet daran, Bedrohungen durch Asteroiden und Kometen frühzeitig zu erkennen und mögliche Abwehrmaßnahmen zu entwickeln. Dabei gehört es zu seinen Aufgaben, das Risiko von Kollisionen zu bewerten und Strategien zur Ablenkung von Asteroiden zu erforschen.

Manchmal kann es auch passieren, dass ein entdeckter Asteroid zu klein und lichtschwach ist, um ihn weiter beobachten zu können. Vielleicht ist er auch zu weit von der Erde entfernt und entzieht sich nach wenigen Tagen den Blicken der Teleskope. Dann versuchen Forscher, das Objekt wiederzufinden.

„Es ist eine echte Detektivarbeit“, sagt Moissl. Um die verlorenen Asteroiden wiederzufinden, entwickelten Astronomen weltweit ständig neue Methoden. „Beispielsweise analysieren wir systematisch bestimmte Regionen im Sonnensystem, in denen sich solche Objekte verstecken könnten.“

Manchmal lassen sich dadurch erdnahe Objekte tatsächlich wiederfinden – wie der Himmelskörper 6344 PL. Der Asteroid wurde 1960 von Astronomen entdeckt und für die Erde als potenziell gefährlich eingestuft. Dann ging er verloren. Erst 2007 wurde 6344 PL dank moderner Beobachtungsmethoden wiedergefunden und trägt jetzt den alternativen Namen 2007 RR.

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