Die AfD und ihr Spitzenkandidat für die Europawahl erproben einen vermeintlichen Ausweg aus dem Spionageskandal: Der Verfassungsschutz soll der Partei schaden wollen. Die Ausflüchte sind allerdings unplausibel.

Seit Monaten befindet sich die AfD im Abwärtstrend, nun bringt eine Spionageaffäre die Partei weiter in Bedrängnis. Ein langjähriger Mandant und Mitarbeiter von Maximilian Krah, Spitzenkandidat für die Europawahl, befindet sich in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt wirft ihm geheimdienstliche Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall vor. Er soll für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet haben.

Seitdem hadert die Partei mit den Vorwürfen, die Nervosität ist groß. Skandale sitzt die AfD üblicherweise aus. Doch Verstrickungen mit der Kommunistischen Partei in China gehen selbst Teilen des Vorstands und der Basis zu weit. Krah stand deswegen seit Langem auch in den eigenen Reihen in der Kritik. Um den Europawahlkampf zu retten – der auch vom Verdacht möglicher Zahlungen aus Russland an Listenkandidat Nummer zwei, Peter Bystron, überschattet wird –, ringt man deswegen um eine Kommunikationsstrategie.

Die scheint nun gefunden: Der Spionageskandal soll zum Verfassungsschutzskandal umgedeutet werden. Krah habe keinen Verdacht schöpfen können, sei nicht gewarnt worden, sagt er selbst und sagen Parteifunktionäre. Jian G. soll sogar angeblich vom Verfassungsschutz eingeschleust worden sein, um der AfD zu schaden.

Doch die Kommunikationsstrategie ist nicht plausibel. Folgen kann ihr nur, wer bereit ist, zentrale Informationen auszublenden. Die vier wichtigsten Behauptungen im Überblick.

Behauptung 1: Krah konnte keinen Verdacht schöpfen

t-online hat fast sieben Monate vor Jian G.’s Verhaftung ausführlich über Krahs Verbindungen nach China und die dubiose Rolle von Jian G. für sie berichtet. Journalistischen Standards entsprechend legte t-online dafür Ende September sowohl Krah als auch G. einen ausführlichen Fragenkatalog vorab zur Stellungnahme vor und informierte über die zentralen Ergebnisse der monatelangen Recherche.

Der am 1. Oktober 2023 veröffentlichte Artikel schilderte anschließend Krahs und G.’s Kontakte zum Geheimdienst IDCPC auf den von G. für Krah organisierten Reisen nach China. Der Artikel belegte von Krah initiierte Lobbyarbeit seines Assistenten für die Neue Seidenstraße. Und er belegte zeitgleiche Zahlungen aus China in G.’s enges privates Umfeld und Interessenkonflikte in seiner politischen Arbeit für Krah.

Darüber hinaus legte er mit Fotobelegen offen, dass G. viele Jahre – noch kurz vor seinen Reisen mit Krah – in der exil-chinesischen Opposition tätig war. Ein zentraler Verdachtsmoment, denn die Dissidenten müssen selbst in Deutschland politische Verfolgung fürchten und können in den meisten Fällen seit vielen Jahrzehnten nicht mehr nach China reisen.

Dass G. sowohl hochrangig in ihren Kreisen aktiv war als auch jahrelang Geschäfte mit China machte, immer wieder dorthin reiste und sowohl dabei als auch in Brüssel für Krah Kontakte zur Kommunistischen Partei unterhielt, galt unter den Oppositionellen als erschreckendes Alarmsignal.

Allerdings nicht für Krah: Mehrfach nahm er anschließend Stellung. Auf der Nachrichtenplattform X schrieb er: „Dafür, dass kein einziger konkreter oder gar belegter Vorwurf gegen mich drin steht, ein ziemlich langer Artikel. Eben kein Journalismus, sondern Propaganda. Peinlich füt t-online!“

In einer zwei Wochen später veröffentlichten Video-Kolumne für den AfD-nahen „Deutschland Kurier“ legte er nach und leugnete sein jahrelanges Vertrauensverhältnis zu Jian G.: „Es ist Zeit für ein Geständnis: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der in China Geschäfte gemacht hat. Diese Aussage war t-online einen ellenlangen Artikel wert. (…) Fertig ist die Schmutzkampagne.“

Um sich nur einen Tag später im Interview mit „Brussels Signal“ zu widersprechen: G. sei ein „echter Gewinn“ und „Wettbewerbsvorteil“, er unterhalte für ihn Kontakte zur chinesischen Vertretung im EU-Parlament. G. sei sehr ehrlich zu ihm. Er habe seine Arbeit für die chinesische Opposition auf Krahs Wunsch hin beendet.

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