Rapunzel-Syndrom – was märchenhaft klingt, ist eine seltene, ernste Krankheit. Menschen mit entsprechenden Symptomen sollten frühzeitig Hilfe suchen.

Manche Krankheiten stellen Mediziner vor besondere Herausforderungen, weil sie so selten auftreten und deswegen kaum erforscht sind. Eine davon ist das im Volksmund genannte Rapunzel-Syndrom. Wie sich die Störung bemerkbar macht und was ihr zugrunde liegt, erfahren Sie hier.

Beim Rapunzel-Syndrom formt sich ein fester Haarball im Magen der Betroffenen – genannt Trichobezoar. Dieser entsteht meist durch zwei Zwangsstörungen: Trichotillomanie und Trichophagie. Bei der Trichotillomanie reißen sich Betroffene zwanghaft die Haare aus der Kopfhaut; etwa ein bis vier Prozent der Weltbevölkerung sind davon betroffen. Erst wenn diese Haare außerdem verschluckt werden – Trichophagie – spricht man vom Rapunzel-Syndrom.

Bereits 1887 beschrieb der französische Dermatologe François Henri Hallopeau das Krankheitsbild zum ersten Mal.

Die Mehrheit der Betroffenen reißt sich die Kopfhaare aus. Danach folgen Augenbrauen, Wimpern und Schamhaare. Die Betroffenen schlucken diese und es bilden sich teilweise große Haarballen, die in Magen und Darm schwere Verdauungsprobleme verursachen können. Denn Haare sind unverdaulich.

Zu den häufigsten Symptomen der Störung zählen daher:

In schweren Fällen drohen ein Darmverschluss oder ein Darminfarkt, wenn das Haar den Darm verstopft – dann besteht Lebensgefahr. Es gibt Menschen, die aufgrund dieser Komplikationen verstorben sind. Zudem zeigen viele Patienten kahle Stellen am Kopf durch das Ausreißen der Haare. Und: Häufig leiden sie an Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angsterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen.

Eine alleinige Ursache für die psychische Störung gibt es der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen zufolge nicht. Meist kommen mehrere Faktoren zusammen, die zur Trichotillomanie führen. Dazu gehört die familiäre Veranlagung, das heißt, wenn ein Elternteil oder ein naher Verwandter bereits an Trichotillomanie oder Zwangsstörungen leidet, kann dies das Risiko für die Erkrankung erhöhen. Auch neurobiologische Faktoren, wie eine Überaktivität in bestimmten Hirnregionen, können Mitauslöser sein.

Nicht zuletzt können belastende traumatische Erlebnisse wie Mobbing oder Missbrauch das Rapunzel-Syndrom verursachen. Einige Betroffene berichten aber auch, dass es keinen Auslöser gab und sie aus Langeweile mit dem Haareausreißen angefangen haben.

Die Behandlung des Rapunzel-Syndroms hängt stark vom Stadium ab, in dem es erkannt wird. Je mehr Haare verschluckt werden, desto größer wird der verhärtete Fremdkörper im Verdauungstrakt – und desto schneller muss dieser chirurgisch entfernt werden. Anderenfalls können lebensbedrohliche Komplikationen auftreten.

Weiterhin spielt eine psychologische Betreuung eine entscheidende Rolle bei der Therapie des Rapunzel-Syndroms. Oft sind Verhaltenstherapien notwendig, um das zwanghafte Verhalten zu behandeln und Rückfälle zu verhindern.

Ein Fall aus Wiesbaden aus dem Jahr 2004 verdeutlicht dies: Eine Vierjährige kam in eine Klinik, nachdem sich ein steinhartes Haarknäuel quer durch ihren gesamten Magen gezogen hatte und etwa 30 Zentimeter weit in den Dünndarm ragte. Die behandelnden Ärzte versuchten, das Knäuel im Zuge einer Endoskopie in kleinere Teile zu teilen und so zu entnehmen. Der Versuch scheiterte, das Mädchen musste operiert werden. Danach erhielt es eine psychiatrische Therapie. Die Eltern berichteten, ihnen sei zuvor aufgefallen, dass das Kind Fasern von Wolldecken, Kuscheltieren oder vom Teppich verspeist hatte.

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