Nach dem dramatischen Aus der deutschen Handballer im WM-Viertelfinale ist die Enttäuschung riesig. Was aber lernen Mannschaft und Verband daraus? Die Aufarbeitung darf auch vor dem Bundestrainer nicht haltmachen.
Natürlich war die Zahl der angeschlagenen und verletzten Spieler groß, vor und während der WM. Natürlich ist die Weltspitze im Handball unglaublich eng zusammengerückt: Selbst in Topform ist das Erreichen des Halbfinales kein Selbstgänger. Jeder kleine Fehler, jeder fragwürdige Schiedsrichter-Pfiff, jede minimale Formschwankung kann über Wohl und Wehe auf diesem Niveau entscheiden. Die deutsche Nationalmannschaft musste also gar nicht ausgesprochen schlecht spielen, um am Ende das große Ziel Halbfinale zu verfehlen.
Er ist für die Ausrichtung des Teams verantwortlich. Ehrlicherweise wirkte die deutsche Mannschaft gegen Portugal – aber auch in den Spielen zuvor – taktisch bemerkenswert limitiert, statisch und ideenlos, vor allem im Angriff. Immer wieder setzte sich Spielmacher Juri Knorr mit großem Anlauf in Bewegung. Fand er keine Lücke, spielte er nach links zu Julian Köster. Bot sich dem baumlangen Halblinken keine Option, passte der geradezu schematisch in den rechten Rückraum zu Renārs Uščins. Uščins erzwang dann einen Wurf, meist ohne Erfolg (33 Prozent Trefferquote gegen Portugal), oder er spielte zurück zu Knorr. Und los ging es von vorn.
Über die Außenspieler lief fast nichts. Die Portugiesen konnten bequem in der Mitte verdichten und dort den deutschen Kreisläufer Johannes Golla durch schiere Überzahl aus dem Spiel nehmen. So suchten über weite Phasen des Spiels drei deutsche Spieler verzweifelt eine Lücke zwischen sechs portugiesischen Abwehrspielern. Sie fanden wenige. Gislason wird das Problem erkannt haben. Lösungen lieferte er keine. Er blieb bei seiner Marschrichtung.
Zudem: Die Portugiesen spielten in der Abwehr in anderer personeller Besetzung als im Angriff. Drei Spieler rannten nach jedem Torabschluss zur Bank, klatschten ihre Wechselspieler ab, die dann zurück sprinteten und sich neu formierten. Der gerade Weg zum Tor war somit eigentlich immer wieder frei für deutsche Konter. Allein: Gislasons Team startete sie nicht. Mutlos stoppten die deutschen Spieler immer wieder ab, um in ihr statisches Angriffsspiel zu trotten. Der Bundestrainer wies in beinahe jeder Auszeit auf diese verpasste Chance hin. Aber seine Mannschaft hörte nicht auf ihn. Warum nicht?
Auch in der Defensive ignorierten die deutschen Spieler eine Ansage ihres Coachs: Zu oft versuchten sie, kurz aus der Abwehr herauszutreten, um Ballverluste zu provozieren, sogenannte „Steals“ zu kreieren. Gislason warnte mehrfach vor den Lücken, die sich hinter ihnen auftaten: ohne Erfolg. Im verlorenen Viertelfinale musste man in einer Szene beinahe fürchten, der überragende Torhüter Andreas Wolff könnte aus dem Tor stürmen und Abwehrspieler Christoph Steinert einmal ordentlich durchschütteln, als der wieder vergeblich versucht hatte, einen Ball zu stibitzen.