Deutsch-französischem Rüstungsprojekt droht totales Scheitern

Kurz gesagt, das FCAS soll im Grunde alles können, was im Bereich der europäischen Verteidigung technisch möglich sein wird. Das Luftkampfsystem soll die „Zukunft der modernen Kriegsführung“ darstellen, wie Airbus es in einem seiner Werbevideos nennt.

Fachleute haben Zweifel daran, ob sich das System wirklich an den tatsächlichen Bedürfnissen der europäischen Luftstreitkräfte ausrichtet. Oder ob dieser Pfeiler des FCAS nicht vor allem den Wünschen und Vorstellungen der Ingenieure dient. „Wie die Produkte zusammenfinden und ob sie zu den Einsatzbedürfnissen der Armeen passen, war erst mal zweitrangig“, sagt ein Insider der „WirtschaftsWoche“.

Schon jetzt werden die Gesamtkosten des komplexen Rüstungssystems auf einen dreistelligen Milliardenbetrag geschätzt. Doch das größte Problem sind nicht die Kosten, sondern die Kompetenzen. Da kommt der erste Pfeiler des FCAS ins Spiel: das Flugzeug selbst. Dieses nennt sich „New Generation Fighter“ (NGF) und soll vom französischen Rüstungskonzern Dassault gebaut werden.

Dassault, obwohl der kleinere Partner im Vergleich zu Airbus, beansprucht die Führungsrolle für sich. Der selbstbewusste Chef des Konzerns, Eric Trappier, hat Frankreichs Präsident Macron und Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bereits mehr als einmal klargemacht, dass er das NDF als „Herzstück“ des zukünftigen Luftkampfsystems betrachtet. Er drohte bereits damit, das Projekt scheitern zu lassen, sollten sich die Partner nicht auf seine Bedingungen einlassen. Dazu gehörte nicht nur die Festschreibung der Führungsrolle des französischen Rüstungskonzerns, sondern auch die Garantie, dass es sein Know-how nicht mit den anderen Partnern teilen muss. „Das Eigentum an den durchzuführenden Arbeiten wird geteilt, aber die Technologien und das Know-how, die uns gehören, werden nicht geteilt“, sagte Trappier der französischen Zeitung „Le Figaro“ Anfang Dezember.

Es stecken also neben nationalen auch handfeste Geschäftsinteressen hinter dem Konflikt. Dassault baut bereits das Kampfflugzeug Rafale, während Airbus den Eurofighter produziert. Die beiden Konzerne sind Konkurrenten, nun sollen sie beim FCAS vertrauensvoll zusammenarbeiten. Und noch ein weiterer Partner kommt hinzu: Spanien. Das Land arbeitet ebenfalls mit Airbus zusammen. Allerdings haben die Spanier ebenso ihre eigenen Vorstellungen von dem Projekt wie Deutsche und Franzosen.

Der Streit drohte vollends zu eskalieren, nachdem Trappier angekündigt hatte, man könne den NGF notfalls auch im Alleingang bauen – ohne die deutschen Partner. Darauf sagte Thomas Pretzl, Betriebsratsvorsitzender des Airbus-Werks im Bayerischen Manching, es gebe „wesentlich attraktivere und geeignetere Partner als Dassault“. Auch er forderte eine klare Entscheidung der Bundesregierung – und zwar für eine Führungsrolle von Airbus beim FCAS.

Die Politik steht angesichts der Kompetenzstreitereien zwischen Konzernen bisweilen etwas ratlos da. Es wird verhandelt, aber bislang ohne einen Durchbruch zu erzielen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) versuchte den Streit auf kleiner Flamme zu halten, als er im Juli in einem Statement mitteilte, dass die aktuellen Differenzen „keine Überraschung bei solchen Großprojekten“ seien. Er appellierte an die Beteiligten, dass es nicht um „nationale Egoismen“ gehen dürfe. „Wir wollen den gemeinsamen Fähigkeitsaufbau“, so Pistorius, nachdem er mit seinem französischen Kollegen Lecornu den Rheinmetall-Standort Unterlüß besucht hatte.

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