Der Bahn fehlt Geld, nun verkauft sie die einzige profitable Sparte. Der Vorstand kann sich jetzt nicht mehr hinter den Gewinnen verstecken. Darin steckt eine Chance.
Die Bahn steckt in der Krise: Personalmangel, Verspätungen, unzufriedene Kunden und kaum Gewinne. Einzig DB Schenker schrieb zuletzt schwarze Zahlen. Nun hat der Konzern die Logistiktochter an den dänischen Konkurrenten DSV für 14,3 Milliarden Euro verkauft. Mehr Details zum Verkauf lesen Sie hier.
Dass sich die Deutsche Bahn von diesem Geschäftsbereich trennt, wirkt kontraintuitiv. Warum den einzig profitablen Teil abstoßen? Doch tatsächlich kann der Verkauf einen Wendepunkt markieren und eine Chance bieten. Ob diese von Vorstand und Politik genutzt wird, um das Unternehmen gesundzusparen und dringend nötige Umbaumaßnahmen zu ergreifen, wird sich allerdings zeigen müssen. Die Zeit drängt.
Die Zeiten, in denen sich der Vorstand noch hinter den durch Schenker gestärkten Gesamtzahlen verstecken konnte, sind nun ohnehin vorbei. Die Logistiksparte, die ihr Geld zu großen Teilen im Ausland und mit hohem Straßen-, Luft- und Seefrachtanteil generiert, war dabei häufig kritisiert worden. Sie verstelle den Blick auf das deutsche Kerngeschäft, so der Vorwurf. Im Umkehrschluss eröffnet die aktuelle Lage also die Chance, den Fokus auf die Schiene zu lenken.
Denn es hakt nicht nur beim Geld. Im ersten Halbjahr waren nur 62,7 Prozent der Fernzüge pünktlich. Das Jahresziel von über 70 Prozent Pünktlichkeit kassierte der Konzern daraufhin zähneknirschend. In drei Jahren sollen eigentlich 80 Prozent erreicht werden.
Um das zu schaffen, muss an vielen Stellen im Konzern angesetzt werden. Wer zuletzt Bahn gefahren ist, kennt bereits ein ganzes Potpourri an Verspätungserklärungen: kaputte Weichen, Signalstörungen, krankheitsbedingte Ausfälle, Personalmangel, Verspätung vorausfahrender Züge. Darunter leiden die Kundenzufriedenheit und – wie die letzten Streikwellen gezeigt haben – auch die Mitarbeitermotivation.
Verkehrsminister Volker Wissing hat signalisiert, dass ihm das bewusst ist, die Ampel unterstützt den Schenker-Verkauf. Gleichzeitig hatte Wissing im August über die umfassenden Sanierungspläne mit teils monatelangen Sperrungen noch gesagt, dass es „richtig gut“ laufe. Dass diese Großprojekte so geballt notwendig sind und auch nicht im laufenden Betrieb vorgenommen werden können, zeigt hingegen, wie viel in den vergangenen Jahren liegen geblieben ist.
Mittlerweile hat Wissing selbst Zweifel geäußert und angekündigt, künftig bei der Bahn härter durchgreifen zu wollen. Die Einsicht ist also zumindest in Teilen da. Der Bahnvorstand hat auf die deutlichen Worte reagiert und ein Sanierungsprogramm verfasst, das in der kommenden Woche vorgestellt werden soll. Darin werden die Probleme der Bahn einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge zwar selbstkritisch benannt; wie die ambitionierten Ziele erreicht werden sollen, bleibt allerdings noch ungewiss. Doch es braucht möglichst konkrete Lösungsansätze, um den maroden Staatskonzern wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.
Eines ist dabei klar: Damit das Schienennetz, die Züge und Bahnhöfe zukunftsfähig werden, sind weitere Investitionen nötig und da herrscht ein enormer Rückstau. Dieses Problem muss die Politik lösen: schnellere Genehmigungen und weniger Bürokratie wären ein Anfang. Denn nur dann kann es für die Bahn nach dem Schenker-Verkauf profitabel vorwärts, statt in eine Sackgasse gehen.