Union und SPD sind jetzt auf die Grünen angewiesen. Anton Hofreiter legt bei „Lanz“ einen Forderungskatalog vor – und wirft Friedrich Merz massive Wählertäuschung vor.
Das Urteil von Anton Hofreiter über den vermutlich künftigen Bundeskanzler fiel bei „Markus Lanz“ vernichtend aus. „Herr Merz hat sich an die Macht gelogen“, kommentierte der Grünen-Politiker am Dienstagabend die überraschend schnelle Einigung von Union und SPD auf eine Lockerung der Schuldenbremse und neue Sondervermögen im mindestens dreistelligen Milliardenbereich. Dass es dafür die nötigen Stimmen im Bundestag gibt, ist laut dem Abgeordneten mitnichten sicher.
- Jan van Aken (Die Linke), Parteivorsitzender
- Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Bundestagsabgeordneter
- Carlo Masala, Militärexperte
- Rüdiger Bachmann, Ökonom
- Sabine Rennefanz, „Spiegel“-Journalistin
- Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent
Aus ökonomischer Sicht gut gemacht – verfassungsrechtlich aber eine „dreckige Nummer“, hatte der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann bei „Lanz“ die Einigung kommentiert. Die soll noch schnell der alte Bundestag mit Zweidrittelmehrheit absegnen. Dazu wären im soeben gewählten Parlament Stimmen aus der AfD nötig.
„Harter Satz“, kommentierte Lanz Hofreiters Lügenvorwurf an die Adresse von Merz. Hofreiter wollte auf Nachfrage des Moderators hin nicht ausschließen, dass seine Fraktion sich dem Vorschlag von Schwarz-Rot verweigert. „Man darf Stimmen nicht als garantiert annehmen – so funktioniert Demokratie nicht“, warnte Hofreiter.
Der Grüne hatte auch schon einen Forderungskatalog parat. Zunächst müsse sichergestellt sein, dass die Pläne nicht gleich vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, warnte Hofreiter. Ferner müsse die Schuldenbremse grundlegend reformiert werden. Dazu gehöre, dass flexibel Geld für wichtige Anschaffungen bereitgestellt werden kann, etwa für Satelliten, Aufklärung oder auch Cyberabwehr für Krankenhäuser und Kraftwerke, die nicht unbedingt in den klassischen Verteidigungshaushalt gehöre.
Die Grünen wollen die Gunst der Stunde außerdem nutzen, um mit Merz über eigene Kernthemen wie Klimaschutz und Transformation zu sprechen. „Die müssen uns da was Vernünftiges vorlegen“, forderte Hofreiter. Bislang habe seine Fraktion nur die Pressemitteilung zur Lockerung der Schuldenbremse bekommen.
Linken-Chef Jan van Aken sah bei „Lanz“ hingegen keinen großen Redebedarf. „Stand heute nicht“, antwortete er auf die Frage des Moderators, ob seine Fraktion zustimmen wird. „Auch nicht im neuen Bundestag“, konkretisierte van Aken. Solch ein Nein würde die Linke ihm zufolge notfalls auch gemeinsam mit der AfD aussprechen, mit der sie über eine Sperrminorität verfügt. Mit der AfD für ein Gesetz zu stimmen, würde er aber niemals tun, bekräftigte er.
Van Aken bezweifelte, dass überhaupt ein Sondervermögen benötigt wird. Die Schuldenbremse solle abgeschafft und diese Ausgaben im ganz normalen Haushalt geplant werden, forderte der Linken-Parteichef. Auch der Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für einen 800 Milliarden Euro schweren Etat für die europäische Verteidigung sah van Aken kritisch und wurde dafür in der großen Runde bei Lanz angegriffen.
„Königin Ursula mit ihren 800 Milliarden“, hatte „Spiegel“-Journalistin Sabine Rennefanz die Pläne gerade kritisiert. Von Aken schlug in dieselbe Kerbe. „Das sind doch aus dem Hut gezogene Zahlen“, sagte er bei „Lanz“ und rechnete vor: Die europäischen Nato-Staaten allein würden jährlich über einen Verteidigungsetat von insgesamt 430 Milliarden Euro verfügen, Russland kaufkraftbereinigt über 300 Milliarden Euro.
„Hört sich doch echt gut an – wovor muss ich mir Sorgen machen?“, sagte von Aken angesichts der scheinbaren finanziellen Überlegenheit der Europäer und zog daraus mit Blick auf Wladimir Putin den Schluss: „Die Abschreckung ist da.“
„Milchmädchenrechnung“, warf Hofreiter seinem Sitznachbarn vor. Schließlich verteilte sich der europäische Etat auf 29 Staaten, während Russland allein über seine Verteidigungsausgaben verfügen könne. Die Preise seien in der russischen Plan- und Kriegswirtschaft zudem bedeutungslos, unterstrich der Ökonom Bachmann, der an der renommierten University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana lehrt.