Markus Lanz hat sich zum Thema Migrationspolitik einen Schlagabtausch mit dem Vize-Kanzler geliefert. Als es um einen Anruf bei Merz geht, wird Habeck wortkarg.
In einer Diskussionsrunde zur aktuellen Migrationspolitik hat Markus Lanz Vize-Kanzler Robert Habeck in die Mangel genommen. „Konnte man ernsthaft die Dinge nach Aschaffenburg so weiterlaufen lassen?“, fragte er provokant. Seine These: Habecks Grüne und die SPD hätten die Migrationspolitik nach dem tödlichen Messerangriff mit den „gleichen Ritualen“ und ohne dass etwas passiert wäre, fortgeführt.
Im Gegensatz dazu sah Lanz das Verhalten des Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz, der einen Antrag zur Verschärfung der Gesetze angeregt hatte. Der AfD hätte ein Verharren von rot und grün womöglich „direkt zu 30 Prozent“ verholfen, so Lanz kritisch.
- Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler
- Julia Löhr, Journalistin
- Olaf Sundermeyer, Autor
Habeck wollte das so nicht stehen lassen. Wo denn die Unterstellung der „üblichen Rituale“ herkomme, wollte er wissen. „Es wird permanent etwas getan.“ Er habe allein in der Sendung bereits mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich die Asylpolitik verbessern ließe, so der Vize-Kanzler. Drei mögliche Maßnahmen, die zu mehr Sicherheit führten, seien: das Einleiten von Verfahren gegen Länder, die Flüchtlinge nicht zurücknehmen, die Einführung eines neuen Asylsystems im Sinne der Reform der europäischen GEAS-Richtlinien und eine bessere Kooperation verschiedener Behörden zum Austausch von Daten.
Lanz zeigte sich angesichts der aktuellen politischen Debatte dennoch besorgt: Wenn es so weitergehe, stehe es schlecht um Deutschland, warnte er. Vor diesem Hintergrund habe er auch nicht verstanden, wieso Grüne und SPD die Vorschläge der Union zu Migrationsfragen am Freitag abgelehnt hätten. Die drei Punkte, um die es dabei gegangen sei – eine Begrenzung der Migration, eine Abschaffung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte und mehr Kompetenzen für die Bundespolizei – seien doch durchaus nachvollziehbar gewesen, so der Moderator.
Habeck verweist auf „andere Seite“
Zu inhaltlichen Gesprächen sei es gar nicht erst gekommen, stellte Habeck klar. Dafür habe die Grundlage gefehlt. Mit der Pistole auf der Brust lasse sich kein demokratischer Konsens erzielen, erklärte er. Für ihn sei Merz‘ Verhalten eine „Erpressungs-Drohung“ gewesen, so der Vize-Kanzler. Im Sinne von: Wenn ich meinen Willen nicht bekomme, stimme ich mit der AfD. Diese Drohung sei auch nicht zurückgenommen worden, stellte Habeck klar und stichelte: „Ich dachte, konservativ heißt, zumindest zu seinen Fehlern zu stehen.“
Er finde es „bitter“, dass man sich nicht auf den Gesetzesentwurf habe einigen können, beharrte Lanz. Nach Attacken wie in Solingen und Aschaffenburg „muss man doch irgendwann mal das klare Signal senden: Leute, wir haben verstanden!“, wurde der Moderator deutlich. Gerade nach Solingen solle man nicht das Signal senden: „Ich kooperiere mit der AfD“, entgegnete Habeck.
Aus seiner Sicht habe die Tatsache, dass die Union ihren Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgebracht habe, mehr als nur Empörung ausgelöst. „Ich glaube, dass da der Riss noch viel tiefer geht“, erklärte der Vize-Kanzler. In Deutschland lebende Menschen, die nicht den Normen der AfD entsprechen, hätten nun Angst, dass die Stimmung gegen sie kippen könnte, so der Grüne. Zwar stimme es, dass es ein Problem mit irregulärer Migration, überlasteten Kommunen und bei der Sicherheit gebe, es gebe aber eben auch jene andere Seite – „und die ist ebenfalls dramatisch.“
Als Reaktion auf Merz‘ Vorstoß hatte Habeck zuletzt einen Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit in Deutschland vorgelegt. Über ein Video habe er Merz bereits vor der Abstimmung mit der AfD signalisiert „da geht was“ in Sachen Asylpolitik, erklärte der Vize-Kanzler bei Lanz. „Ist halt nicht genommen worden!“, so sei Fazit. Ob er Merz angerufen habe, wollte der Moderator konkret wissen. Das wolle er nicht „öffentlich breittreten“, antwortete Habeck, verriet dann aber doch: „Es gab den Versuch einer Kontaktaufnahme – nicht nur einmal.“
Ob er den ganzen Tag über versucht habe, Merz zu erreichen und der einfach nicht erreichbar gewesen sei, wollte Lanz noch genauer wissen. „Mir wurde signalisiert, dass kein Gespräch erforderlich oder gewünscht ist“, antwortete Habeck. Auf die Bitte um eine persönliche Kontaktaufnahme sei also kein Gespräch erfolgt, schlussfolgerte Lanz. „Ich widerspreche ihnen nicht!“, so Habeck.
Trotz Kritik fand Habeck am Dienstagabend auch optimistische Worte: Er glaube Merz, dass er eine Koalition mit der AfD definitiv ausschließe, erklärte er. Auch sehe er nach wie vor Gemeinsamkeiten zwischen Grünen, SPD und der Union, die es dieser Tage besonders zu betonen gelte. Als Beispiele nannte er den gemeinsamen Willen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen und die europäische Zusammenarbeit zu stärken. Mit Blick auf den „schweren politischen Fehler“, den die Abstimmung der Union mit der AfD darstellt, erklärte er: „Fehler kann man heilen.“