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Es gibt keinen besseren Fußballer als Cristiano Ronaldo. Sagt Cristiano Ronaldo. Vielleicht hat er recht. Aber etwas ganz Entscheidendes fehlt ihm offenbar.

„Einer der besten Spieler aller Zeiten“, heißt es im Wikipedia-Eintrag von Cristiano Ronaldo.

Er selbst, der heute für einen Profi-Fußballer fast biblische 40 Jahre jung wird, sieht das genauso, das hat er gerade noch mal betont. „Ich glaube, ich bin der vollständigste Spieler, der je existiert hat. Es mag letztlich eine Frage der persönlichen Vorliebe sein, aber ich sehe niemanden, der besser ist als ich“, sagte der Alleskönner in der spanischen Fußball-Talkshow „El Chiringuito“. „Ich bin im Kopfball stark, ich schieße direkte Freistöße gut, ich treffe mit beiden Füßen, ich bin schnell, ich bin stark und ich springe hoch.“

Anlässlich seines 40. Geburtstages geht Cristiano Ronaldo auf Welttournee. Natürlich nicht der Echte. Aber sicher die beste Kopie. (Quelle: IMAGO/Niyi Fote)

Er sei der kompletteste Spieler aller Zeiten, schlussfolgerte er ganz unbescheiden und schob noch ein paar Superlative hinterher. „Wenn ich am Ende 920, 925 oder 930 Tore schaffe, das ist mir völlig egal. Ich bin der Beste der Geschichte. Punkt“. Die Statistiken lügen nicht. Er hat sie ja selbst nachgeschaut.

Dabei hätte er dieses anhaltende Klopfen auf die eigene Schulter gar nicht nötig. Mehr noch: Dieses wiederholte Bestehen auf der eigenen sportlichen Bedeutung unterscheidet ihn eben von anderen ganz Großen. Es macht ihn kleiner. Ronaldo will der Größte sein, unbedingt, unbestritten – und ist dabei alles, nur eben nicht der Größte. Dafür fehlt ihm etwas Entscheidendes: die Fähigkeit, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Im Sport-Olymp gibt es genügend würdige Beispiele, die diese Fähigkeit hatten.

Nehmen wir Diego Armando Maradona. Der antwortete auf die Frage, wen er für den besten Fußballer hält, stets unterschiedlich: mal war es für ihn Alfredo Di Stéfano, mal Pelé, ein anderes Mal Lothar Matthäus. Nur sich selbst nannte er nicht. Dabei gibt es unter denen, die Maradona spielen sahen, kaum jemanden, der den 1,65 Meter kleinen Ballzauberer nicht für den Größten hält.

Für viele bis heute der Beste: Diego Armando Maradona (l.). Auch gut: Andreas Brehme. (Quelle: Martina Hellmann/dpa)

Oder nehmen wir Muhammad Ali. Kein Fußballer, aber „The Greatest“, der Größte, daran ließ er selbst nie den geringsten Zweifel. Bescheidenheit war seine Tugend nicht, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Privat war das anders, da ging Ali nicht mit seinen Fähigkeiten hausieren. Er hatte nur früh verstanden, dass die große Klappe zur Inszenierung gehört wie das provokante Tänzeln im Ring. Eine ironische Rüstung, die vor unliebsamen Gegnern und der Unbill der Welt schützte.

Bei Cristiano Ronaldo steht zu befürchten, dass seine Überheblichkeit echt ist. Anzeichen gibt es. Sein Schmollen, wenn er auf die Auswechselbank muss, seine Tiraden gegenüber Schiedsrichtern und Mitspielern, wenn die es nicht so machen, wie er es will, oder seine hämischen Kommentare Richtung Lionel Messi, wenn der mal wieder den Ballon d’Or gewonnen hat. Und nicht Cristiano Ronaldo. Der Beste. Punkt.

Ginge es beim Fußball nur darum, wer mit welchem Körperteil wie viele Tore schießt, wäre der Portugiese sicher ein ganz Großer. Aber Fußball ist mehr als Statistiken und Bestenlisten. Fußball ist Träumen, Leiden und auch ein wenig Melancholie.

Kinder träumen von Cristiano Ronaldo. Wovon träumt er? (Quelle: Peter Powell/Reuters)

Melancholie, wie sie ein anderer berühmter Portugiese ausdrückte: Fernando Pessoa, nachdenklicher Autor und Lyriker, einer der wichtigsten Literaten des 20. Jahrhunderts. In Pessoas berühmtestem Buch, dem „Buch der Unruhe“, kann man viel über die Vergeblichkeit der Existenz und die Schönheit des Vergänglichen erfahren. „Ich bin nichts. Ich werde nie etwas sein. Ich könnte nicht wollen, dass ich etwas bin. Abgesehen davon, habe ich alle Träume der Welt in mir“, heißt es darin.

Es ist zu bezweifeln, dass Cristiano Ronaldo die Werke seines Landsmannes kennt.

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