Das Breitband-Antibiotikum Ciprofloxacin wird nicht selten auch bei banalen Infekten verschrieben. Doch dafür ist das Medikament nicht vorgesehen.
Ciprofloxacin zählt zu den Fluorchinolonen, einer Gruppe hochwirksamer Antibiotika, die ein breites Wirkungsspektrum haben. Mit dem Wirkstoff lassen sich verschiedene Bakterien bekämpfen, darunter auch besonders resistente Erreger, die gegen viele andere Antibiotika unempfindlich geworden sind.
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Da die Einnahme jedoch in seltenen Fällen mit schweren und teils auch lang anhaltenden Nebenwirkungen verbunden sein kann, wird es als sogenanntes Reserveantibiotikum betrachtet und sollte hauptsächlich bei schweren bakteriellen Infektionen zum Einsatz kommen. Trotzdem wird Ciprofloxacin immer noch viel zu oft auch bei unkomplizierten Infekten verschrieben.
Ciprofloxacin war im Jahr 2021 das häufigste bei gesetzlich Versicherten verschriebene Fluorchinolon. Neben Ciprofloxacin zählen auch die Wirkstoffe Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin zu dieser Gruppe von Antibiotika.
Die Einnahme von Ciprofloxacin kann mit zahlreichen Nebenwirkungen einhergehen. Dazu gehören in seltenen Fällen auch schwerwiegende Nebenwirkungen, die bei manchen Betroffenen selbst nach Ende der Behandlung nicht verschwinden.
Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen unter anderem:
- Müdigkeit
- Benommenheit
- Schwindel
- Nervenschmerzen oder Empfindungsstörungen (wie Brennen, Kribbeln)
- Schwellungen, Schmerzen, Schwächegefühl oder andere Beschwerden im Bereich der Muskeln, Sehnen oder Gelenke
- veränderter Geschmacks- oder Geruchssinn
- Probleme beim Gehen
- Depressionen
- Gedächtnisprobleme
- Schlafstörungen
- Probleme beim Sehen oder Hören
- psychotische Reaktionen
Mitunter stellen sich Nebenwirkungen wie Sehnenschäden erst einige Zeit (teils Monate) nach Beendigung der Einnahme ein.
Treten unter der Behandlung mit Ciprofloxacin bestimmte Beschwerden auf, sollten Betroffene das Medikament nicht weiter einnehmen und umgehend Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten. Das gilt etwa, wenn
- sich erste Anzeichen einer Sehnenverletzung zeigen, wie Sehnenschmerzen oder -schwellungen. Die betroffenen Körperbereiche sollten Betroffene vorerst ruhig stellen.
- brennende oder stechende Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Schwäche insbesondere in Armen oder Beinen auftreten.
- sich Schwellungen im Bereich der Schultern, Arme oder Beine entwickeln, bei Problemen beim Gehen, bei Müdigkeit oder depressiven Gefühlen, Gedächtnisstörungen oder Schlafproblemen sowie bei Veränderungen des Seh-, Geschmacks-, Geruchs- oder Hörsinns.
Wird Ciprofloxacin in solchen Fällen dennoch weiter eingenommen, besteht das Risiko, dass die Beschwerden dauerhaft bestehen bleiben. Mitunter gehen diese jedoch selbst nach Absetzen des Medikaments nicht vollständig zurück.
Bei solchen Nebenwirkungen gilt es darum abzuwägen, ob die für die Behandlung ursächliche Erkrankung die Einnahme von Ciprofloxacin tatsächlich weiter erfordert oder stattdessen auf ein anderes Antibiotikum gewechselt werden kann.
In den Vereinigten Staaten müssen Medikamente, die Ciprofloxacin oder andere Fluorchinolone enthalten, auf Geheiß der US-amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) im Beipackzettel mit einer sogenannten „Black Box Warning“ versehen sein. Also einer gut sichtbaren und fett gedruckten Textpassage, die verständlich vor den möglichen Nebenwirkungen warnt. Außerdem empfiehlt die FDA, Ciprofloxacin und andere Fluorchinolone nur dann zu verschreiben, wenn keine anderen geeigneten Antibiotika zur Verfügung stehen.
Solch eine auffällige Warnung fehlt in Deutschland bislang in den Beipackzetteln für Ciprofloxacin. Zwar finden sich dort auch alle Angaben zur Anwendung, zu den möglichen Nebenwirkungen und wann das Medikament abgesetzt werden sollte. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die entsprechenden Hinweise neben den vielen anderen Informationen im meist eher langen Beipackzettel einfach untergehen.
Nach Auffassung des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM) liegt es vor allem in der Verantwortung des behandelnden Arztes, Patienten über die potenziellen Risiken des Reserveantibiotikums Ciprofloxacin zu informieren. Das BfArM empfiehlt außerdem, den Beipackzettel von Medikamenten stets vollständig zu lesen und bei Unklarheiten den Arzt oder Apotheker zurate zu ziehen. Ob das jedoch immer so erfolgt und Betroffene die Hinweise auch wirklich verstehen, bleibt ungewiss.
Grundsätzlich gilt, dass alle Arten von Antibiotika auch Nebenwirkungen hervorrufen können. Allerdings sind diese bei Fluorchinolonen wie Ciprofloxacin besonders schwerwiegend und können lange andauern. Sowohl die Europäische Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) als auch das BfArM haben das Risikopotenzial von Fluorchinolonen mittlerweile neu bewertet.
Aus Sicht der beiden Institutionen spielen Ciprofloxacin und andere Fluorchinolone zwar auch weiterhin eine Rolle bei der Behandlung von Infektionskrankheiten. Sie sollen jedoch nur dann bei nachweislich bakteriellen Infekten zum Einsatz kommen, wenn diese das Leben der erkrankten Person bedrohen. Entsprechende Informationen sind 2019 und ein weiteres Mal 2023 als „Roter-Hand-Brief“ an Ärzte und Ärztinnen rausgegangen.
Wie erfolgreich diese Maßnahme war, lässt sich schwer einschätzen. Untersuchungen der EMA aus dem Jahr 2023 deuten darauf hin, dass die Zahl der Verschreibungen seit 2019 kaum zurückgegangen ist. Womöglich findet das Reserveantibiotikum daher auch bei banalen Infekten weiterhin Anwendung.