Finanzminister Christian Lindner will mit einem neuen Altersvorsorgedepot die Aktienkultur stärken. Im Gastbeitrag erklärt er, warum das der richtige Weg für künftige Rentner ist – und weshalb er sich für eine Förderung auch für Selbstständige einsetzt.

Nur zwölf Prozent der Deutschen haben ein eigenes Aktiendepot. Viele Menschen stehen Wertpapieren reserviert gegenüber. Sie vertrauen lieber auf ihr klassisches Sparbuch. Der Grund: Sie fürchten sich vor den Risiken. Das wirkliche Risiko besteht aber nicht darin, auf die Kapitalmärkte zu setzen, sondern gerade darin, es nicht zu tun.

Der demografische Wandel macht es notwendig, das Rentensystem breiter aufzustellen. Wir müssen es schaffen, dass mehr Menschen privat fürs Alter vorsorgen. Die altbekannten Riester-Verträge sind hierzu nicht attraktiv genug – sie sind zu teuer, zu kompliziert, zu risiko- und damit chancenarm. Deshalb reformieren wir die Förderung der privaten Altersvorsorge so, dass sie rentabler wird.

Das gelingt uns mit einem förderfähigen Depot – ohne Garantievorgaben, aber mit Renditen, die langfristig einen höheren Ertrag als andere Anlage- und Sparformen erwirtschaften. Wir minimieren lästige Bürokratie, vereinfachen Vorgaben und maximieren die Chancen für die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner. Und: Wir schaffen Wahlfreiheit.

Das neue Depot wird mit Zulagen und Steuervorteilen gefördert. Es soll eine Grundzulage von 0,20 Euro pro Euro bis zu einem maximalen Eigenbetrag von 3.000 Euro geben. Für Menschen mit Kindern gibt es neben der Grundzulage weiterhin eine Kinderzulage. Steuervorteile, die es bisher bei Riester gab, greifen auch bei der Depotförderung.

Eine höhere Förderung ist gegenwärtig politisch leider nicht durchsetzbar. Ich bin ehrlich: Für mich hätte die förderfähige Summe auch höher ausfallen können. Wenn berufliche Erfolge höhere Einzahlungen ermöglichen, dann sollten diese auch gefördert werden. Insbesondere Unternehmergeist darf nicht bestraft werden.

Daher setze ich mich auch für eine wichtige Neuerung ein: Künftig sollen auch Selbstständige förderberechtigt sein. Bei Riester war das bisher nur in eng begrenzten Sonderfällen möglich. In der Koalition ist die Ausweitung umstritten. Aber ich kämpfe dafür, dass auch Selbstständige berücksichtigt werden. Denn warum sollten Selbstständige nicht von der gleichen Förderung profitieren wie Angestellte oder Beamte? Auch Selbstständige verdienen Fairness.

Beim neuen Depot gibt es keine Beitragsgarantie. Wir sorgen für die Freiheit, dass Menschen selbst ihre Entscheidungen zum Beispiel mit Anlagen in ETF-Sparplänen oder einem Mix aus Einzelaktien treffen können. Damit sind Renditen möglich, die über denen des bisher geförderten Produktuniversums liegen.

Die Besteuerung findet wie auch bisher schon bei Riester erst in der Auszahlungsphase im Ruhestand statt. Alle Erträge, die unterwegs erzielt werden und im Depot verbleiben, werden ebenfalls erst nachgelagert besteuert. Das erleichtert hochattraktive Zinseszinseffekte.

Auch in der Auszahlungsphase sorgen wir künftig für mehr Wahlfreiheit. Beim Vorsorgedepot wird man zwischen einer Leibrente und einem Plan zur Auszahlung bis zum 85. Lebensjahr wählen können. Hier und da ist Kritik an dieser Flexibilität zu vernehmen. Aber ich bin überzeugt: Wir sollten den Menschen zutrauen, ihre geförderte private Altersvorsorge an ihre individuellen Pläne für die Rente ein Stück weit anpassen zu können. Die Leibrente war für viele heute nicht attraktiv, da sie geringer als der Auszahlungsplan ist. Manche Menschen haben für ihr hohes Alter auch alternative Pläne, zum Beispiel dann die Eigentumswohnung zu „verrenten“. Und leider wird auch nicht jeder viel älter als 85. Die Anbieter der verschiedenen Varianten werden sich einen Wettbewerb der Argumente liefern und damit die Wahlfreiheit stärken.

Die Reform der privaten Altersvorsorge bringt einen weiteren, bisher vernachlässigten strategischen Vorteil mit sich: die Möglichkeit, staatlich gefördert und breit gestreut in viele verschiedene Weltregionen und deren Märkte zu investieren. Wer hierzulande für das Alter vorsorgen möchte, kann und soll natürlich auch auf den Dax zum Beispiel setzen und von einer starken deutschen Wirtschaft profitieren – aber eben nicht nur.

Schwellenländer etwa – schon immer auch ein wichtiger Absatzmarkt für unsere Industrie – könnten dabei eine zunehmend bedeutendere Rolle spielen: Länder wie China, Indien, Brasilien oder Indonesien befinden sich noch in einer Aufholphase, was ihr Wohlstandsniveau betrifft. Auch aufgrund demografischer Effekte wird ihr Wachstum vermutlich noch für längere Zeit über dem liegen, was für etablierte Industriestaaten zu erwarten ist. Daraus sollten wir nicht nur über unsere exportorientierte Wirtschaft, sondern auch im neuen Depot Nutzen ziehen.

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