Skandal-Oper „Sancta“

Choreografin wehrt sich gegen Kritiker – Opernhaus reagiert

Aktualisiert am 21.10.2024 – 03:05 UhrLesedauer: 2 Min.

Eine Szene aus Florentina Holzingers Oper „Sancta“. (Quelle: Nicole Marianna Wytyczak)

Florentina Holzinger will mit „Sancta“ die Sehgewohnheiten des Publikums hinterfragen. Dafür erhält sie nun offenbar Gewaltdrohungen. Die Oper reagiert.

Wenn die Sonne der Kultur sinkt, werfen auch Zwerge lange Schatten, heißt es. Im Zeitalter der sozialen Medien sind die Zwerge zahlreich und die Schatten besonders dunkel. Das musste auch Florentina Holzinger erfahren. Sie bekommt seit einigen Tagen verstärkt Hasskommentare und sogar Gewaltandrohungen, wie sie selbst mitteilte.

Offenbar gehen die Anfeindungen so weit, dass die Staatsoper Stuttgart, die Holzingers Performance „Sancta“ derzeit auf dem Spielplan hat, nun die Sicherheitsmaßnahmen verstärkte und zusätzliche Security einstellte.

„Ja die Show geht vielen nahe; weil sie reale und komplexe Themen verhandelt, mit denen sich auch viele im Publikum identifizieren“, schreibt Holzinger bei Instagram. „Dass wir seitdem mit Gewaltandrohungen und Hatespeech von Fanatikern und Dogmatikern umgehen müssen, ist Teil des Problems und der Grund, warum es mir in erster Linie so wichtig erschien, die Show zu machen.“

Die österreichische Choreografin und Performancekünstlerin hatte mit ihrer Inszenierung des Einakters „Sancta Susanna“ von Paul Hindemith in der Stuttgarter Staatsoper für Empörung und heftige Reaktionen beim Publikum gesorgt. Sex, nackte Haut und das Blut, das auf der Bühne zu sehen war, riefen bei einigen im Publikum körperliche Abwehrreaktionen vor, sie fühlten sich unwohl und mussten teilweise ärztlich behandelt werden.

Performancekünstlerin Sophie Duncan während einer Aufführung der Inszenierung „Sancta“: Die Performance sorgte in Stuttgart für Aufsehen (Quelle: dpa)

In der feministischen Inszenierung – inklusive der Darstellung sexueller Handlungen, Selbstverletzungen und Gewalt – thematisiert die Geschichte einer Nonne, die brutale Bestrafung für ihren Weg der sexuellen Selbstbestimmung erfährt. Das Stück integriert Elemente der katholischen Liturgie und fordert religiöse Konventionen und Moralvorstellungen heraus. Das Publikum bekommt vorab entsprechende Trigger-Warnungen.

Holzinger selbst äußerte sich bei Instagram wie folgt: „Wer es nicht sehen will, soll nicht kommen. Vor allem sollte jemand, der Beschreibungen von Gewalt nicht erträgt, nicht in eine Show mit expliziten Referenzen zur katholischen Kirche gehen.“

Holzinger: Vielen geht es nur um skandalträchtige Schlagzeile

Das mag etwas wohlfeil klingen, schließlich zielt Holzingers Kritik gerade auch auf die Sehgewohnheiten des etablierten Opernpublikums, wie sie dem Fachmagazin „Monopol“ sagte. Demnach seien „unzählige Darstellungen von Krieg, Vergewaltigungen oder Gewalt, speziell gegen Frauen“ seit Jahrhunderten Teil des klassischen Opernrepertoires, die Zuschauer nähmen dies aber in der Regel einfach so hin. Mit „Sancta“ wolle sie dem Publikum daher auch einen „Spiegel vorhalten, welche Gewalt es als normal empfindet“.

Gerade im Zeitalter von Instagram, TikTok und Youtube, wo kaum eine Abscheulichkeit ungezeigt bleibt, sollte man meinen, dass eine Oper wohl kaum noch jemanden kaum noch schockieren kann. Doch das Publikum in Stuttgart hat eher einen hohen Altersschnitt und ist eher konventionelle Inszenierung gewöhnt, wie die Choreografin betont. Es gebe daher kaum Überschneidungen zur Tanztheater- und Performanceszene. Im Tanztheater sind experimentelle und auch drastische Darbietungen keine Seltenheit, sondern eher die Norm.

Allerdings macht die Österreicherin auch die medialen Aufmerksamkeitsökonomien für die Skandalisierung ihrer Operninszenierung verantwortlich. Vielen gehe es nur um eine klickträchtige Schlagzeile, einem Teil ihrer Kritiker unterstellt sie, die Show gar nicht gesehen zu haben. Deren Kritik sei „realitätsfern“ und es fehle „jede Kontextualisierung“.

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