Ihr Handeln veränderte die Welt. Die Autorin Charlotte Kerner wirft in ihrem Buch einen Blick auf drei Öko-Visionärinnen. Das können wir von ihnen lernen.

Ob Extremwetter oder die Erhitzung der Meere: Der Klimawandel ist in unserer heutigen Zeit quasi omnipräsent. Dabei sind die Erkenntnisse keine neuen. In ihrem Buch „We are the Volcanoes“ porträtiert Charlotte Kerner drei Öko-Visionärinnen.

Sie wirft dabei einen Blick in die Vergangenheit. Im Gespräch mit t-online verdeutlicht die Autorin, was wir daraus für die Zukunft lernen können, oder sogar müssen.

t-online: Frau Kerner, sind Frauen die größeren Klima-Heldinnen?

Charlotte Kerner: Mit dem Urteil „größer“ bin ich immer vorsichtig. Aber sie waren, gerade was das Erkennen ökologische Zusammenhänge angeht, oft die ersten. Und natürlich, Frauen sind genauso klug wie Männer und leisten genauso gute Forschungsarbeit. Deshalb bin ich immer skeptisch, wenn heutzutage keine Forscherinnen genannt werden, dann schaue ich genauer hin. Auch die drei porträtierten Frauen, jede Pionierin in ihrem Feld, kämpften gegen Vorurteile.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Mikrobiologin Lynn Margulis musste fast 15 wissenschaftliche Verlage anschreiben, um ihren ersten Artikel über ihre Endosymbionten-Theorie veröffentlichen zu können. Heute ist die Theorie bewiesen und ihre damals nach eineinhalb Jahren endlich publizierte Arbeit gilt als bahnbrechend. Es wird immer klarer, welche große Bedeutung die Symbiose in der Evolution spielt. Margulis galt als zickig, weil sie von sich überzeugt war und das auch laut sagte. Einem Mann wäre das – als durchsetzungsstark – positiv ausgelegt worden.

Esoterisch und gefühlsduselig, in diese Ecke wurde Rachel Carson gestellt, nicht objektiv sei sie, gar parteiisch. Aber niemand forscht abgehoben, von einer quasi übergeordneten Warte, ewig gültig, gottgleich: Das macht die Philosophin Donna Haraway deutlich, wenn sie von „situiertem Wissen“ spricht. Natürlich gibt es unstrittige Fakten, aber Forschung hängt immer auch davon ab, wer, für wen, wann und unter welchen Bedingungen und mit welcher Fragestellung forscht.

Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“ ist dafür ein Lehrstück. Sie beschrieb darin bereits Anfang der 1960er-Jahre – und zwar für eine breite Leserschaft – die schädlichen Auswirkungen von Pestiziden für das ganze Ökosystem. Sie war eine der ersten, die das Artensterben thematisierte. Dafür hat sie Unmengen wissenschaftlicher Publikationen ausgewertet und bewertet. So konnte sie zeigen, wie die chemische Industrie die Forschung gesteuert und in ihrem Sinn interpretiert hat. Carsons Buch gab letztlich den Anstoß, um das Pestizid DDT zu verbieten.

Wo wir bei Rachel Carson sind, warum wurde gerade sie eine ihrer Volcanoes?

Rachel Carson war quasi die Greta Thunberg ihrer Zeit, „die erste Greta“. Ihr Buch „Der stumme Frühling“ hatte eine ähnliche Sprengkraft wie die Aktionen der jungen Schwedin. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, wie ihr Buch die Leute erschüttert und vor allem aufgerüttelt hat.

Charlotte Kerner beim Signieren ihres Buches „We are the Volcanoes“. (Quelle: privat )

Zur Person

Charlotte Kerner wurde 1950 in Speyer geboren und lebt heute in Lübeck. Als Autorin porträtierte sie vor allem Frauen. Aber auch allgemeineren Wissenschaftthematiken widmete sie sich in ihren Büchern. Für GEO-Wissen, Die Zeit und Jugend Forscht, arbeitete sie zudem als Wissenschafts-Journalistin.

Deshalb wurde es auch die „Grüne Bombe“ genannt. Damit hat Carson die Welt verändert. Ihr Buch wird oft auch als das Gründungsmanifest der Ökologiebewegung bezeichnet. Davon abgesehen, war sie eine der wenigen, die bereits Anfang der 1950er-Jahre begriffen hatte, welche Rolle unsere Weltmeere bei der Klimaregulation spielen. Sie hat drei Bücher über das Meer geschrieben, die sie zur Bestseller-Autorin machten.

Kommt von der Sprengkraft der Arbeit auch der Titel – Volcanoes? Also wie Vulkane?

Genau, deshalb hat Carson es unter die Volcanoes geschafft. Ursprünglich stammt die Metapher aus der sogenannten Mut-Rede von Ursula K. Le Guin, einer großen Science-Fiction-Autorin. Sie wollte Uni-Absolventinnen dazu ermutigen, sich einzumischen und die „Landkarten der Welt“ zu verändern.

Aber ist ein Vulkanausbruch nicht etwas eher Grauenhaftes?

Klar, Vulkane spucken Lava und verbreiten damit vielleicht sogar ein bisschen Angst. Aber am Ende sind so neue Kontinente und Inseln entstanden – aus der Lava wird fruchtbare Erde. Mit neuen Gedanken ist genauso: Alle drei Frauen sind ausgebrochen und haben unsere, auch meine Sicht auf die Welt verändert. Deshalb sind sie meine Volcanoes.

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