Drei Jahre lang hat Carsten Linnemann die CDU unter Friedrich Merz restauriert. Jetzt ist sie kurz davor, zurück in die Regierung zu kommen. Dennoch könnte das Wahlergebnis ihn vor Schwierigkeiten stellen.

Für einen Moment geht der Blick von Carsten Linnemann ins Leere. Sein Kiefer verhärtet sich. Hinter der eckigen Brille sind die Augen leicht glasig. Dann blinzelt er. Einmal, zweimal. Es sind Sekunden, in denen der CDU-Generalsekretär am Sonntagabend erahnen lässt, was da in ihm vorgeht. Sekunden, in denen Linnemann, der sonst immer in Bewegung ist, fast regungslos dasteht.

Dann wandern die Augen. Zu dem Mikrofon vor ihm und dem Moderator, der es in der Hand hält, dahinter die Kamera. Linnemanns Mundwinkel bewegen sich langsam nach oben. Er tritt von einem Fuß auf den anderen. Der Journalist stellt seine Frage. Wie er die Zahlen an diesem Abend bewerte, will der von ihm wissen. Es ist der Abend der Bundestagswahl, gerade kamen die ersten Hochrechnungen. Die Union liegt bei knapp unter 30 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt ist nicht klar, für welche Mehrheiten es gerade noch reicht. Ob CDU und CSU womöglich in eine Kenia-Koalition mit Grünen und SPD müssen, weil nichts anderes bleibt. Für Linnemann wäre das die blanke Katastrophe. Aber es hilft nichts. Er muss jetzt funktionieren. Also atmet er einmal tief ein – und fängt an.

Über drei Jahre hat Carsten Linnemann die CDU restauriert. Erst als Vorsitzender der Grundsatzprogrammkommission, dann als Generalsekretär. Unzählige Termine hat er gemacht, ist pausenlos quer durch die Republik getourt – immer mit dem Ziel, ausreichend zu mobilisieren und die CDU mit einem starken Ergebnis bei der Wahl zurück in die Regierung zu bringen. In diesen Tagen ist Linnemann kurz vor dem Ziel. Am Sonntag haben CDU und CSU die Bundestagswahl gewonnen. Der Regierungsauftrag liegt jetzt klar bei ihnen. Ein Moment, auf den sowohl er als auch Friedrich Merz lange gewartet haben. Und doch ist der Generalsekretär nicht richtig zufrieden.

Denn eigentlich hat Linnemann sich von der vielen Arbeit und dem Herzblut mehr erhofft. Ein besseres Ergebnis und damit mehr Beinfreiheit für die Zeit nach der Wahl. Im besten Fall hatte man auf Mehrheiten für zwei Optionen gehofft: Schwarz-Rot und Schwarz-Grün. Aber das hat nicht gereicht. Alles, was der CDU bleibt, ist die SPD.

Im Präsidium am Morgen nach der Wahl spricht Linnemann es deshalb ganz offen an. Dass er sich ein Ergebnis über 30 Prozent gewünscht hätte. Dass mehr hätte drin sein müssen. Die Partei versucht ihn zu trösten. Überhäuft ihn mit Anerkennung. Auch, wenn einige das Ergebnis frustriert. Linnemann selbst weiß, dass er den Blick jetzt nach vorn richten muss. Die Sondierungen und Koalitionsverhandlungen dürften schwer genug werden. So ganz lässt es ihn trotzdem nicht los. t-online hat den Generalsekretär auf den letzten Metern vor der Wahl begleitet. 48 Stunden unterwegs mit einem Rastlosen.

Freitag, kurz vor 6 Uhr abends: Linnemann deutet auf eine schwere Metalltür. „Kann man hier rein? Ich will mal gucken! Sind schon viele da?“ Bevor jemand antworten kann, schiebt er sich durch den Eingang zur Halle der Rudolf-Weber-Arena in Oberhausen, mitten hinein in das große Wahlkampffinale der CDU. Als er sieht, was dort auf ihn wartet, weiten sich Linnemanns Augen. „Boah, das ist ja der Wahnsinn“, staunt er und schaut durch die Menge von Menschen. Rund 4.000 Gäste sind an diesem Abend gekommen. Riesige Scheinwerfer streifen durch die Halle, auf der Bühne tanzt eine junge Gruppe zu Hip-Hop-Musik. Für einen Moment merkt niemand von ihnen, dass Linnemann mittendrin in einem kleinen Gang zwischen den Sitzen steht. Als gehöre er einfach dazu. In gewisser Weise tut er das auch, denn Linnemann ist heute ebenfalls Gast. Ausrichter ist die CDU Nordrhein-Westfalen.

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