Maischberger hat mit Ralf Stegner das umstrittene „Manifest“ zu Russland diskutiert. Dabei wollte sie auch herausfinden, wie sehr es bei der SPD im Getriebe knirscht.
Rund zwei Wochen vor dem SPD-Bundesparteitag haben SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner und Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich ein „Friedens-Manifest“ verfasst, das in der Partei für Unstimmigkeiten sorgte. Sandra Maischberger bat Stegner am Montagabend gemeinsam mit dem Militärexperten Carlo Masala zum Gespräch. Es dauerte nicht lange, bis es zwischen den beiden zur verbalen Auseinandersetzung kam. Masala ließ es sich dabei nicht nehmen, Stegner an die Geschichte seiner eigenen Partei zu erinnern.
- Karin Prien (CDU), Bildungs- und Familienministerin
- Ralf Stegner (SPD), Außenpolitiker
- Carlo Masala, Militärexperte
- Werner Sonne, Journalist und Autor
- Sophia Maier, Journalistin und Kriegsreporterin
- Susanne Gaschke, Journalistin
Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fordert Stegner in seinem „Manifest“ eine Abkehr von der Aufrüstungspolitik und stattdessen mehr diplomatische Anstrengungen Europas. Die SPD sei „immer eine Friedenspartei“ gewesen, erklärte der Abgeordnete bei „Maischberger“. Im Wahlkampf habe seine Partei das Thema jedoch „den Populisten“ überlassen und in der Folge schlechte Stimmenergebnisse kassiert. Während manche Parteien nur über Waffen redeten, diskutiere man in der SPD differenziert über Rüstung, führte Stegner aus.
Die SPD als Friedenspartei – Militärexperte Masala ließ das nicht unkommentiert: Dabei handele es sich um eine Definition der SPD-Rolle, die so nicht stimme, bemängelte er. Die SPD sei auch die „Partei der Nachrüstung“, des Kosovo-Einsatzes und des Afghanistan-Einsatzes, erinnerte der Wissenschaftler. Es gebe nicht nur „den Oliven-Zweig und die Friedenstaube“. An anderer Stelle ging er noch härter mit Stegner ins Gericht.
„In Deutschland (…) haben sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten Milliarden Euro für Aufrüstung suchen“, zitierte Maischberger aus dem SPD-„Manifest“. „Das ist verschwörungstheoretisches Sprechen, Herr Stegner“, warf Masala ein. Wer mit besagten „Kräften“ gemeint sei, wollte Maischberger wissen. Und hakte konkret nach, ob die Kritik auf SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius abziele?
Es seien diejenigen gemeint, die überzeugt sind, es sollten jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also 225 Milliarden Euro, für Rüstung ausgegeben werden, erklärte Stegner. „Das ist doch glatter Irrsinn“, fügte er hinzu. Deutschland müsse zwar mehr tun, um sich verteidigungsfähig zu machen, aber nicht mit solchen „Wahnsinnssummen“. „Also meinen Sie Herrn Pistorius“, schlussfolgerte Maischberger.
Pistorius hatte das Papier aus den eigenen Reihen als „Realitätsverweigerung“ kritisiert und sich davon distanziert. „Der ist offenbar auch genervt von ihnen, wollten sie das?“, hakte Maischberger nach. Dass es unterschiedliche Meinungen gebe, müsse man in der SPD aushalten können, antwortete Stegner. „Wir sind nicht im Vatikan, wir dürfen miteinander diskutieren“, fügte er hinzu. Die Resonanz in der Öffentlichkeit zeige, dass die aktuelle Lage den Menschen Sorgen bereite. Auch wenn Diplomatie lange Zeit keinen Erfolg gehabt habe, bedeute das nicht, dass es eine vernünftige Alternative zu Gesprächen gebe, so Stegner.
Stegner tue so, als werde überhaupt nicht geredet, kritisierte Masala und erinnerte: Diplomatie laufe seit Beginn des Krieges parallel und scheitere stets in Moskau. Der Dialog müsse gepaart mit Abschreckungsmaßnahmen stattfinden, warb der Experte. Stegners Verweis auf Bundeskanzler Helmut Schmidt, den er mit den Worten zitierte, man solle „besser vergeblich verhandeln als einmal schießen“, hielt der Militärexperte für unpassend. „Man verhandelt vergeblich und es wird die ganze Zeit geschossen“, stellte Masala mit Blick auf die Situation in der Ukraine klar.
Doch Stegner konnte nicht umgestimmt werden: Man müsse mit denen reden, deren Meinung man nicht teile. „Hilft da private Diplomatie?“, wollte Masala wissen und spielte auf Stegners Besuch in Baku an, bei dem der Abgeordnete sich in Eigenregie begleitet von anderen deutschen Politikern mit Vertretern des Putin-Regimes getroffen hatte. „Von privat ist nicht die Rede“, wiegelte Stegner ab. Doch Masala ließ sich nicht abschütteln und schlüpfte kurz in die Moderatoren-Rolle.
Ob er im Auftrag dagewesen sei, bohrte er nach. „Natürlich nicht“, antwortete Stegner. Dann handele es sich „private Diplomatie“, schlussfolgerte der Militärexperte. „Sie sind nicht der Staatsanwalt, Herr Professor“, beschwerte sich Stegner. Auf Maischberges Nachfrage erklärte er schließlich, sein Trip sei insofern privat gewesen, als dass er von niemandem bezahlt worden sei und es keinen Auftrag der Regierung oder seiner Partei gegeben habe. Natürlich sei er aber als Politiker und Sozialdemokrat gereist. Ziel sei gewesen, Russland klarzumachen, dass die sozialdemokratische Seite für Gespräche sei – aber nicht für die Okkupation von Nachbarländern.