Der Krieg ist zurück in Europa, allerlei Panzertypen sind den Deutschen mittlerweile ein Begriff. Wer die Kriegsmaschinen aus der Nähe sehen will, sollte ins Deutsche Panzermuseum fahren – und sich dort herausfordern lassen.

Niedlich sind ihre Namen ja: „Brummbär“, „Hummel“ oder auch „Ratsch-Bumm“. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass es sich bei den Trägern dieser Namen um Instrumente der Zerstörung handelt. Beim „Brummbären“ handelt es sich um den Sturmpanzer IV, bei der „Hummel“ um eine Panzerhaubitze und beim „Ratsch-Bumm“ um eine ursprünglich sowjetische Feldkanone vom Kaliber 76,2 mm. Allesamt Waffen, die das nationalsozialistische Deutschland in seinem Feldzug gegen Europa und die Welt eingesetzt hatte.

Ralf Raths, 47 Jahre alt, lange Haare, zum Zopf gebunden, kann eine Menge erzählen über diese Waffen – und viele weitere. Denn Raths, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Panzermuseums im niedersächsischen Munster beherbergt in seinem Haus zudem all die Panzertypen, über die die Deutschen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine so viel gehört haben: die Kampfpanzer Leopard 1 und Leopard 2, den Flugabwehrpanzer Gepard oder den Schützenpanzer Marder.

Auch die Panzerhaubitze 2.000 – genaugenommen ein selbstfahrendes Artilleriegeschütz – kann in Munster besichtigt werden. Und vieles mehr: vom Nachbau des Sturmpanzerwagen A7V aus dem Ersten Weltkrieg über Tiger und Königstiger aus dem Zweiten Weltkrieg bis zum israelischen Merkava und einem Panzer-Prototypen, der der Bundeswehr zur Erprobung von Stealth-Technologie diente.

Es sind allerdings vor allem die Panzertypen aus dem Zweiten Weltkrieg, die Neugierige in großer Zahl anziehen. Denn diese Waffensysteme genießen bis heute einen geradezu legendären Ruf, auch wenn manches Detail ihrer Geschichte eben nur das ist: Legende. Ralf Raths ist gut darin, sie zu hinterfragen und zu erschüttern. „Nehmen wir den Tiger“, sagt Raths. „Er gilt in gewisser Weise als Inbegriff des effektiven Kampfpanzers, doch in der Realität hatte der Tiger eine Reihe von Problemen.“ Warum? „Der Tiger war unheimlich kompliziert und teuer zu bauen, die Wartung war extrem aufwendig und ein Bergen von kaputten Exemplaren aufgrund des hohen Gewichts sehr schwierig.“ Nicht zu vergessen: Der oft bewunderte Panzer diente als Waffe, um Krieg, Zerstörung und Holocaust über Europa zu bringen.

Es ist der Zweite Weltkrieg, der Deutschland und seine Einstellung zu bewaffneten Konflikten bis heute prägt. Als Macht des Friedens verstand sich die alte und neue Bundesrepublik hauptsächlich, das Phänomen Krieg war lange Zeit eher weit entfernt und betraf vor allem andere. Bis zum 24. Februar 2022: Seit die russische Armee in die Ukraine einmarschiert ist, und der Nato unverhohlen mit Nuklearschlägen droht, ist der Krieg den Deutschen sehr, sehr nahe gerückt. Dringend Zeit, sich mit Krieg und seinen Folgen zu beschäftigen. Wladimir Putin und andere Autokraten rütteln an der wertebasierten Ordnung, die Deutschen müssen in irgendeiner Form Stellung beziehen. Ob ihnen das gefällt oder nicht.

Das Deutsche Panzermuseum ist ein Ort, um sich mit den Themen Krieg und Gewalt auseinanderzusetzen. „Wir drängen den Leuten hier die Gewalt geradezu auf“, sagt Ralf Raths. „Das ist unser Job.“ Wie bitte? „Viele Menschen kommen hierher, um große Maschinen zu sehen“, erklärt Raths. „Es ist so, als wenn sie eine Ausstellung von Lastern, Traktoren oder anderem schweren Gerät besichtigen.“ Groß und schwer sind auch Panzer in der Regel. „Ihr Sinn und Zweck ist aber ein ganz anderer“, führt der Historiker aus: „Panzer sind Gewaltmaschinen, es handelt sich auch bei ikonischen Modellen um Gewaltobjekte, das wird viel zu oft vergessen.“ Einen Vorwurf will Raths, hemdsärmelig und eindringlich zugleich, mit diesen Worten niemanden machen. Es sei ja die ureigene Aufgabe eines Museums, seine Besucher herauszufordern und nachdenklich zu stimmen.

Beides gelingt dem Panzermuseum wesentlich besser, seit 2023 eine neue Dauerausstellung die tonnenschweren Exponate ergänzt. „Unser zentraler Vermittlungsstrang ist stets das Leiden und Sterben, das Töten und Verwunden“, betont Raths. Ob die Besucher Bilder betrachten wollen, die derartigen Schrecken zeigen, müssen sie selbst entscheiden: Falls ja, müssen sie einen Sichtschutz beiseitenehmen. Darunter offenbart sich die Wirklichkeit des Krieges, ungeschminkt und brutal.

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