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Bürokratie ist in Verruf geraten – nicht erst, seit Elon Musk ihr als Berater des künftigen US-Präsidenten den Kampf ansagt. Auch in Deutschland gibt es ein Gremium, das sie eindämmen soll. Dessen Vorsitzender wünscht sich mehr Einfluss.

Anders als den Tech-Milliardär Elon Musk kennen die wenigsten Deutschen Lutz Goebel. Dabei ist auch er ein erfolgreicher Unternehmer und berät mit zehn weiteren Ehrenamtlichen die Bundesregierung beim Abbau von Bürokratie. Das mag auch am sperrigen Namen des Gremiums liegen, dem er seit zweieinhalb Jahren vorsitzt: Normenkontrollrat (NKR). Ganz sicher aber liegt es daran, dass Goebel und seine Mitstreiter beim NKR eher hinter den Kulissen der Macht arbeiten.

Dabei haben sie viele Ideen, wie sich die überbordende Bürokratie abbauen lässt. Welche das sind und warum trotz ihrer Arbeit die Bürokratie in der Verwaltung weiter angewachsen ist, erklärt Goebel im Interview mit t-online.

t-online: Herr Goebel, Sie sind ein Mann der Wirtschaft und zuständig für den Bürokratie-Abbau in Deutschland. Sind Sie der deutsche Elon Musk?

Lutz Goebel: Haha, interessanter Vergleich, aber der bin ich natürlich nicht.

Nein. Ich arbeite in einem gesetzlich verankerten, unabhängigen Expertengremium, das die Bundesregierung berät. Wir setzen uns für weniger Bürokratie, bessere Gesetze und eine digitale Verwaltung ein. Der NKR überprüft, welche Kosten neue Gesetze verursachen, ob praxistauglichere Alternativen bestehen und wie eine gute digitale Ausführung erreicht werden kann. Aber wir arbeiten nicht mit der Kettensäge.

Oberster Bürokratie-Bekämpfer Deutschlands: Lutz Goebel ist Vorsitzender des Normenkontrollrats. (Quelle: Maurizio Gambarini/imago-images-bilder)

Lutz Goebel ist seit 2022 ehrenamtlicher Vorsitzender des Normenkontrollrats. Er ist zudem Geschäftsführender Gesellschafter der Henkelhausen GmbH & CO. KG, einem Maschinen- und Anlagenbauer aus Krefeld. Bis 2017 war er Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, bei dem er aktuell noch Präsidiumsmitglied ist. Goebel wurde 1955 in Siegen geboren. Er stammt aus der Siegener Unternehmerfamilie Achenbach.

Sie spielen auf Elon Musks Plan an, massiv Stellen in der Verwaltung zu streichen. Manche sind ja überzeugt, das wäre auch ein Weg für Deutschland. Sie nicht?

Nein. Es reicht nicht aus, Personal abzubauen und Behörden zu schließen, die Aufgaben müssen dann ja an anderer Stelle erledigt werden. Elon Musk wird auch erst einmal zeigen müssen, ob er den angekündigten Bürokratieabbau in den USA tatsächlich so umsetzen kann. Was wir aber in Deutschland brauchen, ist tatsächlich ein radikales Umdenken beim Thema Bürokratie, um diesen Staat wieder in Ordnung zu bringen.

Das Land ist in einem desolaten Zustand. Machen wir so weiter wie bisher, wird das zu einem massiven Wohlstandsverlust führen, weil die Wirtschaft nicht mehr hochkommt.

Hat Christian Lindner also doch recht, wenn er sagt, Deutschland brauche mehr Elon Musk und mehr vom argentinischen Präsidenten Javier Milei?

In Bezug auf das radikale Umdenken schon. Ohne einen Kulturwandel in der Gesetzgebung und eine Reformierung des Staates wird es nicht gehen. Das betrifft aber nicht nur die Politik, sondern auch jeden einzelnen Bürger.

Was genau meinen Sie damit?

Wir Deutschen lieben die Einzelfallgerechtigkeit. Sie möchten, dass alles zu hundert Prozent gerecht ist. Und die Politiker gehen darauf ein. Aber davon müssen wir uns verabschieden. Wir können nicht alle Eventualitäten regeln.

Ein Beispiel: Arzneimittelverpackungen werden jetzt immer zugeklebt. Da ist vielleicht in ein Prozent der Fälle mal was aus Verpackungen rausgefallen, aber nun müssen alle umständlich verklebt werden. Was für ein unnötiger Aufwand. Das ist, was ich meine, wenn ich sage: Wir können nicht alle Eventualitäten regeln. Der Wirtschaft und den Bürgern sollte nicht länger pauschal misstraut werden. Nur weil es wenige gibt, die sich nicht an Regeln halten, können nicht alle möglichen Missbrauchsfälle geregelt werden. Das lässt sich auch gar nicht mehr kontrollieren.

Für viele klingt das nach einem Absenken von Standards.

Das ist ein Missverständnis. Unter den Sozialdemokraten wird Bürokratieabbau teilweise immer noch mit dem Abbau von sozialen Standards gleichgesetzt und ein Teil der Grünen denkt an den Abbau von Umweltstandards. Das muss man voneinander trennen: Welche Standards wir uns leisten können, dafür sind die Politiker zuständig. Wie man diese dann bürokratiearm umsetzt, ist eine andere Frage. Da können wir helfen, die Prozesse zu vereinfachen. Wir sind parteipolitisch unabhängig.

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