Europäische Weihnachtshauptstadt 2024
Brünn: Erfolgsrezept in der Weihnachtszeit – was Besucher fasziniert
11.12.2024 – 14:25 UhrLesedauer: 5 Min.
Ein altes Krokodil macht dem Weihnachtsmann Konkurrenz, ein Alternativgetränk dem Glühwein: Die Adventszeit in der größten Stadt Mährens hat ihre Eigenheiten.
Wer sich zur Weihnachtszeit durch Brünn, die zweitgrößte Stadt Tschechiens, bewegt, entdeckt Märkte, Krippen, Lichterglanz. Doch wer hier an den Ständen und Buden auf der Suche nach dem beliebten deutschen Glühwein ist, der kennt den Turbomošt noch nicht.
Die Mischung aus Apfelwein und Apfel-Brandy, die es nur an Weihnachten gibt, wurde vor einigen Jahren von einer Gruppe von jungen Brünnern erdacht. Der Erfolg war derart durchschlagend, dass er den Glühwein auf den tschechischen Märkten längst abgehängt hat. Aus der Brünner Weihnacht ist er jedenfalls nicht mehr wegzudenken.
Wenn dieses Jahr angestoßen wird, hat man dafür noch einen Grund mehr: Denn Brünn, auf Tschechisch Brno, ist „Europäische Weihnachtshauptstadt“. Diesen Titel, der seit 2017 von einer Jury unter Schirmherrschaft des Europäischen Parlamentes vergeben wird, hatten im vergangenen Jahr Kiew und davor das baskische San Sebastián inne.
Die Brünner Weihnacht habe sich „als ein Festival von europäischer Dimension etabliert“, so das Touristische Informationszentrum Brünn (TIC Brno). Die Stadt sei ein „kreatives Weihnachtsjuwel“ mit modernem Konzept und traditionellen Werten.
Das ist natürlich Eigenwerbung – hinter der aber auch etwas steckt. Etwa das neue offizielle Weihnachtssymbol von Tschechiens zweitgrößter Stadt, die trotz ihrer Schönheit bislang von den Touristenmassen verschont wurde: ein mehr als 400 Jahre altes ausgestopftes Nilkrokodil, zu bewundern am zentralen Krautmarkt.
Dort, am Durchgang zum Innenhof des Rathauses, hängt es unübersehbar von der Decke. Lange glaubten die Menschen, dass es sich bei dem Geschenk, das der ungarische König Matthias II. der Stadt im Jahr 1608 vermachte, um einen Drachen handelte. Diese Vorstellung passte auch zur hiesigen Sagenwelt, in der ein Drache einst das ganze Gebiet Mähren unsicher machte.
Umso moderner ist das diesjährige Outfit des Reptils, das dem Weihnachtsmann und den Engeln mächtig Konkurrenz macht. Es trägt zu Weihnachten einen leuchtenden, gestreiften Pullover aus recycelten Rohren in Rot-Weiß, den offiziellen Farben von Brünn.
„Ich liebe unser neues Symbol, es ist originell und passt zu uns“, sagt Renata Krejči, die am Krautmarkt einen Stand betreibt, an dem sie alle erdenklichen Drachendevotionalien einschließlich Geschenkpapier mit Drachenmotiven verkauft.
Dominiert wird der Krautmarkt vom 63 Meter hohen Turm des Alten Rathauses, dem ältesten säkularen Bau der Stadt. Von oben hat man einen herrlichen Blick auf die erleuchtete Altstadt, die Kathedrale St. Peter und Paul auf dem Petrov-Hügel und die Burg Špilberk, eines der vielen Brünner Wahrzeichen.
Damit der alte Drache vom Krautmarkt nicht so alleine ist, wurde dieses Jahr in Anspielung auf das tschechische Puppenspiel, Teil des immateriellen Kulturerbes der Unesco, ein marionettenartiger zweiter Drache gebaut. Der erleuchtete bei der Eröffnungsfeier mit seinem „Feuer“ den offiziellen Christbaum am Freiheitsplatz (Námĕsti Svobody).
Übrigens: Vor genau einhundert Jahren kam in Brünn erstmals der Weihnachtsbaum auf einem öffentlichen Platz in Mode, eingeführt von Schriftsteller Rudolf Tĕsnohlídek, der sich an Kopenhagen inspirierte.
Auch wegen der authentischen Atmosphäre einer Studentenstadt, die ihre Traditionen bewahrt, ist Brünn laut der Jury „Weihnachtshauptstadt“. So gibt es auch weihnachtlich Erwartbares zu entdecken: Seit Ende November und noch bis Heiligabend strahlen die vier schönsten Plätze des historischen Brünn im Lichterglanz um die Wette. Dazu kommen mehrere Innenhöfe wie etwa der des Rathauses mit anheimelnden Winterbars und Gourmet-Ständen.
Überall spielt Musik, und an jedem der Plätze steht eine Wunschglocke, an deren Strang Einheimische und Besucher ziehen und dabei insgeheim an ihre Sehnsüchte denken. Die Innenstadt ist klein und überschaubar, sodass man bequem allen Highlights einen Besuch abstatten kann.