Tatsächlich ist die Strategie von Bott riskant: die Indizien hinterfragen und entkräften, Zweifel säen, das Bild einer Frau im Ausnahmezustand zeichnen, ohne dabei eine Mitwirkung an der Entführung einzuräumen. Die Hoffnung dahinter: Wenn die Schuld nicht einwandfrei festgestellt werden kann, muss die Angeklagte, Christina Block, freigesprochen werden.
Doch im laufenden Prozess gab es Wendungen, die für die Verteidigungsstrategie von Bott zum Problem werden könnten. Das Gericht ließ die Auswertung des Tagebuchs von Christina Block zu. Sowohl Ingo Bott als auch Christina Block hatten sich vehement dagegen gewehrt – ohne Erfolg. Vor allem ein Eintrag in dem Tagebuch erregte Aufsehen: Kurz vor der Entführung der Kinder hatte sie darin notiert: „Ich hoffe so sehr, dass es nun langsam losgeht.“
Das zweite Problem sind die in die Entführung involvierten Israelis. Zunächst packte einer von ihnen im israelischen Fernsehen aus. Seinen Schilderungen nach ist er nach der Entführung ins Block-Hotel „Grand Elysée“ gefahren und hat dort auch Christina Block getroffen. Man habe Champagner getrunken. Er habe geglaubt, er habe die Kinder gerettet. Inzwischen hat ein weiterer Israeli, David B., der der Drahtzieher der Entführung gewesen sein soll, bei der Hamburger Staatsanwaltschaft ausgesagt. Auch er soll Christina Block schwer belasten und ihre Aussage, nichts von der Entführung gewusst zu haben, erschüttern.
All das ist für Botts Strategie pures Gift. Sollten immer mehr Indizien und Aussagen darauf hindeuten, dass Christina Block von der Entführung gewusst hat, bröckelt die Verteidigung. Auch die Anwälte, die mit der „Mopo“ gesprochen haben, beobachten das mit Sorge. Hier wäre ein frühes (Teil-)Geständnis vielleicht der bessere Weg gewesen, um zumindest das Strafmaß zu reduzieren, so ihr Urteil. Eine Bewährungsstrafe wäre drin gewesen, glauben die Juristen.
Und jetzt? Die von der „Mopo“ befragten Juristen glauben nicht an einen Freispruch. „Zwischen zweieinhalb und vier Jahren Haft wegen Kindesentzuges“, so lautet ihre Prognose für das Strafmaß, das Block erwartet. Und Ingo Bott? „Fährt nach Hause und ist ein bundesweit bekannter Verteidiger geworden.“
Der Prozess wird am 10. Dezember fortgesetzt. Zeitnah soll der mutmaßliche Entführer David B. aussagen. Seine Befragung durch die Staatsanwaltschaft umfasst 327 Seiten.
