Von der zuständigen 1. Großen Strafkammer gibt es aber auch gut zweieinhalb Jahre später nichts Neues – eine Sprecherin: „Wegen zahlreicher vorrangig zu bearbeitender Haftsachen konnte in dem von Verfahren bislang noch nicht terminiert werden.“ Bei der Kammer landen viele Fälle von Menschen, die wegen gravierenderer Vorwürfe in U-Haft sitzen. Die müssen beschleunigt behandelt werden.

Im Prozess wird es vor allem um die Maskenatteste gehen. Und das Warten könnte für alle Beteiligten ein Vorteil sein, sagt Ivan Künnemann, Anwalt von Bodo Schiffmann. „Bald könnten viele Rechtsfragen vom Bundesgerichtshof (BGH) geklärt sein“, so der Jurist. Er vertritt in einem langwierigen Prozess den Arzt Walter Weber, Mitgründer der „Ärzte für Aufklärung“. Auch der soll Patienten vom Maskentragen befreit haben, ohne sie gesehen zu haben.

Es ist der erste Fall, in dem der Vorwurf falscher Maskenatteste direkt am Landgericht verhandelt wird. Das heißt, dass nach dem Urteil (voraussichtlich im November) keine Berufung möglich ist, sondern der Fall bald danach am BGH landen könnte. Das könne Klarheit bringen, wann unter welchen Umständen eine Fernbehandlung ausreichend sei. „Es ist natürlich Spekulation, ob Gerichte den Ausgang abwarten, aber Herr Schiffmann ist nicht der einzige Fall.“

Ein später Prozesstermin habe noch einen anderen Vorteil: „Die große Emotionalität ist vielleicht raus, es kann mehr um die Sache gehen.“ Fraglich ist nur, ob dann sein Mandant mitspielt: Über Telegram macht er weiter Stimmung wegen des „Staatsstreichs von oben“ im Jahr 2020, wenn er nicht gerade schwadroniert über die „absurde Geschichte, dass Hitler Selbstmord begangen hat“. Nach seinem gleichnamigen Kanal, über den er Nahrungsergänzungsmittel verkauft, hat er am Jahresanfang in England eine Firma namens Allesaussermainstream Ltd. gegründet.

Im Prozess wird es auch um Videos gehen, in denen Schiffmann aus Sicht der Staatsanwaltschaft den Holocaust verharmlost und zu unfriedlichen Aktionen gegen die Regierung und die Justiz der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen hat. Wegen der Maskenatteste ist auch seine Frau angeklagt.

Der Fall Bhakdi: Sucharit Bhakdi (77) war einst hochgeachteter Professor der Universität Mainz, der zu Bakterien und zu Atherosklerose forschte – in der Corona-Zeit schoss er sich mit verschwörungsideologischen Erzählungen zu Viren und Plänen „des Bösen“ ins Abseits. Dass er selbst keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu vorweisen konnte, tat seiner Popularität keinen Abbruch. Der österreichische FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl nannte ihn in diesem Jahr „Engel für Milliarden Menschen“, Bhakdi selbst rief zur Wahl der FPÖ auf: So könne „das österreichische Volk […] die Welt aus der Hölle“ retten, in die ein Österreicher (Adolf Hitler) sie vor 90 Jahren geführt habe“.

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