Betroffene berichten: „Ich wünsche mir ein einfaches Leben“

Vom Jobcenter bin ich enttäuscht. Viele Sachbearbeiter haben mir offen gesagt, dass sie mir nicht helfen können – oder wollen. Mehr als einmal habe ich gehört: Für Sie haben wir nichts. Irgendwann habe ich verstanden, dass egal, wie oft ich umziehe, meine Akte mir immer vorauseilt. In 22 Jahren habe ich genau einen Vermittlungsvorschlag bekommen. Die einzige Ebene, auf der mich das Jobcenter nie hat hängen lassen, ist monetärer Art. Das Geld ist immer geflossen. Ich habe dem Jobcenter aber auch in all diesen Jahren keinen Anlass gegeben, an der Sanktionsschraube zu drehen.

Irgendwann hatte ich genug und bin geflohen. Nach Österreich. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, selbst über mein Leben zu entscheiden. Ich habe gearbeitet, Schulden zurückgezahlt, Struktur gefunden. Es war kein leichtes Leben, aber ein selbstbestimmtes. Doch nach anderthalb Jahren gab ich auf und kehrte nach Deutschland zurück. Das war die eigentliche Katastrophe.

Denn in Wien gescheitert zu sein, bereitete mir massive Probleme. Ich war irgendwo zwischen Depression und Burn-out, totaler Ratlosigkeit und Verzweiflung. Es folgten zwei Klinikaufenthalte, wo ich mich in absoluter Ruhe erholte.

Zurück zu Hause bot mir die Arbeitsagentur eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann an. Es war immer mit meiner Selbstwahrnehmung kollidiert, keine Ausbildung abgeschlossen zu haben. Nach drei Jahren Ausbildung und Praktikum bei einem gehobenen Makler konnte ich mir aber nicht vorstellen, in diesem Beruf zu arbeiten. Das war nicht meine Welt.

In der Klinik lernte ich auch meine Mitbewohnerin kennen. Nun gehen wir den Weg schon seit 18 Jahren gemeinsam. In dieser Zeit beschloss sie zweimal, in eine andere Stadt zu ziehen, um näher bei ihrer Familie zu sein. Beide Male habe ich entschieden, mitzugehen. Mich hielt einfach nichts an meinen Wohnorten. Jetzt leben wir im Niemandsland. Ich verlasse das Haus kaum noch, wenn überhaupt für Arzttermine.

Seit 13 Monaten versuche ich, Kontakt mit dem Jobcenter aufzunehmen. Ich schreibe Mails, bitte um Gespräche, um Klärung. Ich möchte wissen, wie es weitergeht. Aber ich habe bisher noch keine Antwort bekommen. Wenn ich die Wahl hätte, die Hochbegabung gegen ein normales, einfaches Leben einzutauschen, würde ich das sofort tun.

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