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Vier von zehn Deutschen trinken mindestens einmal in der Woche Alkohol. Das kann Folgen für die Gesundheit haben. Ein Experte erklärt, wie man es schafft, abstinent zu leben.

Zu den klassischen Vorsätzen für das neue Jahr gehört, weniger zu trinken. Der Wissenschaftsjournalist Bas Kast verzichtet ganz auf Alkohol. Im Gespräch mit t-online erklärt er seine Beweggründe, und wie es ihm gelungen ist.

t-online: Herr Kast, Sie haben früher täglich Alkohol getrunken. Welches Getränk
am liebsten?

Bas Kast: Ich habe vor allem Weißwein geliebt, Riesling, manchmal auch einen französischen Sancerre. Gelegentlich auch mal ein kühles bayerisches Bier. Aber ich habe selten über die Stränge geschlagen, meine übliche Dosis waren zwei Gläser am Tag. Zur Entspannung vom Arbeitsstress.

Was führte zu Ihrem Entschluss, aufzuhören?

Neue Forschungsbefunde. Lange Zeit galt gerade so ein moderater Konsum, wie
ich ihn pflegte, als harmlos – sogar als gesund, als herzschonend. Das hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Inzwischen kommt man mehr und mehr zum Schluss, dass jeder Schluck schädlich ist. Also habe ich aufgehört.

Bas Kast (Quelle: Mike Meyer )

Bas Kast studierte Psychologie und Biologie und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. 2018 wurde sein Buch „Der Ernährungskompass“ als „Wissensbuch des Jahres“ ausgezeichnet. Sein aktuelles Buch heißt: „Warum ich keinen Alkohol mehr trinke“.

Gemessen daran, dass ich aus einer Weinfamilie stamme, fiel mir das erstaunlich leicht. Mein Urgroßvater war Weinbauer und ich lange ein echter Weinliebhaber. An den ersten Tagen war es komisch, schließlich waren die ein, zwei Gläser Wein Teil eines Entspannungsrituals. Das war aber eher psychologisch, würde ich sagen.

Was passiert denn beim Alkoholkonsum mit unserem Körper?

Alkohol wird bereits im Mund abgebaut in ein Zwischenprodukt namens „Acetaldehyd“. Das hat sich als hochtoxische Substanz herausgestellt, die zu Chromosomenschäden und Mutationen führen kann. Alkohol erhöht daher in jeder Dosis das Krebsrisiko, vor allem im gesamten „Verdauungsrohr“, angefangen im Mund, über den Rachenraum, Schluckdarm, Magen, Dickdarm. Bei Frauen erhöht Alkohol bereits bei einem Konsum von nur drei bis sechs Getränken pro Woche das Brustkrebsrisiko. Im Gehirn wirkt Alkohol einerseits sedierend, also wie eine leichte Narkose. Auf der anderen Seite aber auch angstlindernd, schmerzstillend und leicht euphorisierend.

Wie erklärt sich diese Wirkung auf das Gehirn?

Alkoholmoleküle sind sehr klein und dringen damit leicht in das ansonsten hermetisch abgeschirmte Gehirn. Dort beeinflusst Alkohol zahlreiche Botenstoffsysteme, wie Dopamin, Endorphine und Glutamat. Diese breite Wirkung auf das Gehirn macht Alkohol zu einer sehr mächtigen Droge. Allerdings reagiert das Gehirn bei regelmäßigem Konsum mit
Gegenmaßnahmen: Die Sedierung wie auch die Euphorie werden „bekämpft“. Wenn die Wirkung von Alkohol dann nachlässt, bleibt so etwas wie das Gegenteil zurück: Wir sind zunehmend gereizt und down.

Kennen Sie Alkoholabhängige?

Natürlich, ich bin ja Psychologe vom Hintergrund. Ich kannte mal einen Alkoholiker, der zum Beispiel darauf achten musste, dass nicht in irgendeiner Soße beim Essen etwas Alkohol steckt – bereits das hätte ihn eventuell rückfällig gemacht. Die Gefahr von Abhängigkeit ist immer gegeben, auch bei Leuten, die glauben, sie hätten alles im Griff. Viele sehen in Alkohol ein Genussmittel, tatsächlich aber raubt er zahlreichen Menschen die Freiheit. Wer abhängig ist, ist nicht mehr frei.

Sie betonen vor allem das mit jedem Glas steigende Krebsrisiko…

Weil wir diese Gefahr maßlos unterschätzen. Dass Rauchen das Krebsrisiko erhöht, weiß jeder. Aber mein Feierabendbier? Tatsächlich haben britische Forscher Folgendes berechnet: Was das Krebsrisiko betrifft, stecken in einer Flasche Wein für Frauen ungefähr zehn Zigaretten, für Männer sind es fünf. Auf Zigarettenpackungen stehen entsprechende Warnhinweise, beim Alkohol nicht. Wir machen in unserer Gesellschaft einen Unterschied, aber für unsere Körperzellen gibt es diesen Unterschied nicht.

Haben Sie denn Momente, in denen Ihnen der Alkohol fehlt?

Ich habe wirklich wenig Bedürfnis nach schnellen, billigen Dopamin-Kicks. Wie viel Überwindung oder Mut kostet es, eine Flasche Wein zu entkorken? Ist es mutig, wenn man auf einer Party erst zwei, drei Drinks braucht, bis man sich traut, auf eine Frau zuzugehen? Oder ist es echter Mut, wenn man seine Angst vor einer Abfuhr nüchtern in den Griff bekommt? Wenn es darum geht, negative Gefühle zu bewältigen, ist Alkohol da eine gute Strategie? Oder ist Meditation, eine Joggingrunde oder ein Eisbad besser und auch bewundernswerter? Ich bin kein Fan von flüchtigem Spaß, ich mag es viel lieber, mich einer schwierigen Herausforderung zu stellen und daran zu wachsen.

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