Berlin-Wahl I Bettina Jarasch: “SPD hat sich bis heute nicht entschuldigt”

Bettina Jarasch will Berliner Bürgermeisterin werden. Im Interview schießt sie gegen ihren Koalitionspartner, kämpft für Tempo 30 und spricht über Auto-Hass.

Am 12. Februar wird in Berlin die Abgeordnetenhauswahl wiederholt. Derzeit regiert Rot-Grün-Rot in der Hauptstadt. Ein Gespräch mit Bettina Jarasch, die die erste grüne Regierende Bürgermeisterin Berlins werden will.

t-online: Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht bekannt gegeben, dass die Berlin-Wahl nicht verschoben wird. Frau Jarasch, mit welchem Gefühl haben Sie nach Karlsruhe geblickt?

Bettina Jarasch: Ich war nervös. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Wahl noch gestoppt hätte, hätte ich keinem Menschen in Berlin erklären können, warum wir jemals wieder zu einer Wahl gehen sollen. Ich bin erleichtert und froh.

Wie groß ist der Schaden an der Demokratie, der durch das Wahlchaos in Berlin entstanden ist?

Es ist ein Schaden für die Demokratie und für den Ruf der Stadt entstanden. Es ist ein Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit von Staat und Politik. Wir brauchen dringend eine Verwaltungsreform. Die Verantwortlichkeiten in dieser Stadt sind so unklar geregelt, dass nicht klar war, wer für die Organisation der Wahlen wirklich zuständig war. Der SPD-Innensenator konnte sich dahinter zurückziehen, dass er für die Organisation der Wahl gar nicht zuständig gewesen sei, sondern die Bezirke. Das ist das übliche Berlin-Pingpong zwischen Land und Bezirken. Es wird allerhöchste Zeit, dass wir das ändern.

Was würde es bedeuten, wenn die Wiederholungswahl im Nachhinein doch noch gekippt wird?

Ich bin keine Juristin. Ich gehe aber davon aus, hätten die Richter die Wahl stoppen wollen, hätten sie es bereits getan.

Sie haben Innensenator Geisel angesprochen. Hätte er zurücktreten müssen?

Das ist eine Entscheidung der SPD. Grüne und Linke haben sich bei den Bürgerinnen und Bürgern für diese Zumutung entschuldigt, dass wir jetzt wieder wählen müssen. Die SPD hat sich bis heute nicht entschuldigt und keine Fehler eingestanden. Das finde ich irritierend.

Lange Schlange vor einem Berliner Wahllokal 2021: Wegen zahlreicher Pannen wurde die Wahl vom Berliner Verfassungsgericht für ungültig erklärt. (Quelle: Stefan Zeitz/imago images)

In Ihrer ersten Spitzenkandidatur waren Sie als “Brückenbauerin” bekannt. Jetzt spalten Sie mit Ihrer Verkehrspolitik die Stadt. Was machen Sie falsch?

Mobilitätspolitik bedeutet Veränderung. Und zwar Straße für Straße. Anders kriegen wir das gar nicht hin. Wir wollen klimafreundliche und sichere Mobilität gerade für die Schwächsten im Straßenverkehr schaffen. Ich stelle damit die Schwächsten, also Fußgängerinnen und Radfahrer, ins Zentrum. Das bedeutet, dass Autofahrer, die es weiter geben wird, Platz abgeben müssen, damit alle sicherer und besser durch die Stadt kommen. Das ist im Grunde der Kern, über den wir in immer neuen Facetten diskutieren.

Warum haben Sie so kurz vor der Wahl wieder einen Teil der Friedrichstraße für Autos gesperrt?

Das ist nichts Neues. Es gibt einen festen Zeitplan, das habe ich seit November transparent kommuniziert. Wir haben, besonders von Gewerbetreibenden, eine ganze Reihe von Kritik und Bedenken aufgenommen und umgesetzt, beispielsweise beim Umgang mit dem Lieferverkehr. Die dauerhafte Umwidmung zur Fußgängerzone wird den Geschäften dort auch wieder Kunden bringen und der Straße Schwung verleihen, weil die Aufenthaltsqualität steigt.

Das Bündnis “Rettet die Friedrichstraße” kritisiert Sie und will gegen die Entscheidung klagen. Sie würden ohne Konzept für “einen massiven Eingriff in die Wirtschaftlichkeit der Gewerbetreibenden” sorgen.

Es gibt auch Gewerbetreibende, die das anders sehen. Und vier von fünf Befragten wünschen sich eine Friedrichstraße als Fußgängerzone. Ich denke da an das Gemeinwohl. Deshalb habe ich auch die Sorgen der Kritiker ernst- und aufgenommen. So entsteht in der Abwägung etwas Gutes für alle. Jetzt erst hat die Friedrichstraße die Chance, zu einem modernen Stadtraum zu werden.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (l.) und die Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Bettina Jarasch (Archivbild): In 2022 nahmen sie viel Geld für PR in die Hand.
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (l.) und Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Archivbild): Streit über die Sperrung der Friedrichstraße. (Quelle: Emmanuele Contini/imago images)

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