Aber genau diesen politischen Ansatz verfolgt die aktuelle Bundesregierung.

Genau. Deshalb gibt es auch erste Tendenzen, dass sich der Austausch wieder verbessert. Aber Sie müssen verstehen: Die chinesische Führung ist sehr sensibel geworden, nimmt Deutschland als unentschlossen wahr.

Die politischen Signale an China aus Deutschland sind nicht eindeutig. In der Bundesrepublik dominieren die negativen Narrative über China, auch die mediale Berichterstattung ist sehr negativ. Deshalb denkt Peking, dass Deutschland kein verlässlicher Partner ist. Man wünscht sich eine klare Linie in der deutschen China-Politik, die Peking nicht nur als Rivalen skizziert, sondern eben auch als wichtigen Partner.

Wo sehen Sie denn aktuell die größten politischen Stolpersteine in den deutsch-chinesischen Beziehungen?

Es gibt viele Stolpersteine: den Taiwan-Konflikt, die Einhaltung von Menschenrechten, die Repressionen in Hongkong, die chinesische Unterstützung für Wladimir Putin im Ukraine-Krieg oder wirtschaftliche Konflikte mit Blick auf Wettbewerb, Marktzugänge und Zertifizierungen. Aus meiner Sicht muss die Bundesregierung diese Themen aber priorisieren und Wadephul sollte nicht mit einer langen Wunschliste nach Peking fahren. Es ist unrealistisch, in all diesen Bereichen gleichzeitig Fortschritte zu erzielen.

Wie nimmt man in Peking den deutschen Außenminister wahr? Immerhin hatte sich Wadephul sehr deutlich im Taiwan-Konflikt positioniert und China verärgert.

Damit trifft Wadephul natürlich einen Nerv. Wie schon erwähnt: Peking ist sich unsicher, was für ein Partner Deutschland ist. Deswegen schaut China genau auf diverse Personalien in der noch jungen Bundesregierung. Allgemein fährt Xi Jinping eine Strategie, die auf multiple Partner setzt. Er stärkt weiter seine Patenschaften mit den Ländern des Globalen Südens. Deswegen gehört auch zur Wahrheit: Deutschland ist für China nicht mehr so wichtig, wie es früher war.

Beim Antrittsbesuch der ehemaligen Außenministerin Annalena Baerbock in China eskalierte der Streit auf offener Bühne beim Thema Menschenrechte. Hat das Spuren in Peking hinterlassen?

Außenministerin Baerbock hat den Moralapostel gespielt und dadurch haben die Beziehungen etwas Schaden genommen. Die chinesische Führung kritisiert eben diese moralisierende Haltung und sie ist selbstbewusster geworden. China sieht sich als aufsteigende Macht in einer neuen Weltordnung. Man versteht die deutsche Perspektive, aber öffentliche Moralappelle haben nur begrenzte Wirkung in der Volksrepublik.

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