Virologe Drosten zur H5N1-Gefahr
„Ich befürchte, den Zeitpunkt dazu hat man inzwischen verpasst“
03.12.2024 – 10:09 UhrLesedauer: 2 Min.
Die nächste Seuche breitet sich aus: In den USA steigt die Zahl der Vogelgrippe-Infektionen. Experten wie Virologe Drosten kritisieren das Vorgehen der Behörden.
Dass wir aus der Corona-Pandemie etwas gelernt haben, darf nach Ansicht von Experten bezweifelt werden. Zwar wurden in etlichen Ländern Pandemie-Pläne entstaubt oder überhaupt erst geschaffen. Doch ein aktuelles Beispiel zeigt, dass im Zweifelsfall weiterhin zu wenig geschieht, um die Ausbreitung gefährlicher Erreger so früh wie möglich zu stoppen: die Vogelgrippe H5N1 in US-Milchviehbetrieben. Seit den ersten Nachweisen im März wurden dem US-Landwirtschaftsministerium zufolge H5N1-Fälle in hunderten Betrieben vieler Bundesstaaten erfasst.
Es sei leider nicht zu erkennen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die das Geschehen schnell stoppen würden, sagt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald. Den Eindruck, dass in den USA mehr Wert darauf gelegt wird, kurzfristig wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden als eine mögliche weitere Zoonose zu unterbinden, bestätigt auch der Virologe Christian Drosten.
„Es ist schon frappierend, wie wenig Dateneinsicht und gezielte Infektionsüberwachung stattfindet, sowohl bei Tieren als auch beim Menschen“, sagt der Direktor des Instituts für Virologie der Charité Berlin. Angesichts der öffentlichen Ankündigungen aus Kreisen der zukünftigen Regierung müsse man sich über die weitere Entwicklung Sorgen machen. „Desinformation und Populismus gefährden die Gesundheit der Bevölkerung.“
Mit den H5N1-Fällen in den USA droht nicht nur eine neue Rinderkrankheit: Auch das Risiko für andere Nutztiere und den Menschen steigt – etwa, wenn verunreinigte Rohmilch an Schweine verfüttert wird. Säugetiere wie Nerz oder Schweine können eine Art Mischbatterie sein. Sind sie mit verschiedenen Influenza-A-Formen infiziert, kann ein neuer, gefährlicherer Erreger entstehen.
Zum Glück sei das bei Milchkühen zirkulierende Virus bei Säugetieren noch schlecht übertragbar, erklärt Drosten. „Kühe sind zwar auch Säuger, aber im Euter, wo das Virus übertragen wird, stößt es auf Gewebeanteile, die ähnlich wie bei Vögeln sind.“ Zudem könne sich speziell diese Viruslinie nicht so effektiv mit menschlichen Viren zusammentun.
„Dennoch sollte man alles daran setzen, die derzeitige Verbreitung bei Kühen zu beenden, möglichst noch vor der Grippesaison“, betont der Virologe. „Ich befürchte allerdings, den Zeitpunkt dazu hat man inzwischen verpasst.“