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Die Lage beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist angespannt, die künftige Finanzierung ungeklärt. Wohin steuert das System, das derart unter Druck steht?

Wer am 1. Januar ARD oder ZDF einschaltet, wird keine schwarzen Bildschirme sehen. So schlimm ist die Lage bis jetzt nicht. Allerdings spielen sich hinter den Kulissen dramatische Diskussionen ab: Wie soll das Programm der Sender aufrechterhalten werden, wenn das nötige Geld fehlt? Die Länder haben zuletzt eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags verhindert. Ein Gespräch mit dem Fernseh- und Medienwissenschaftler Dr. Christian Richter über die Zukunft eines Systems, das ins Wanken gerät.

t-online: Herr Richter, was haben Sie sich zuletzt für 58 Cent gekauft?

Christian Richter: Mmh, keine leichte Frage. Ich glaube, bei unserem Bäcker an der Ecke kostet ein Bio-Brötchen so viel.

Haben sich ARD, ZDF und Co. eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um ebendiese 58 Cent verdient?

Das ist eine Frage, die ich so nicht stellen würde. Zunächst bin ich sehr froh, dass wir in Deutschland ein duales Rundfunksystem mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit mit einer großen Vielfalt haben. Für die Höhe der Gebühren gibt es ein geordnetes und unabhängiges Verfahren über die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). An deren Rechtmäßigkeit habe ich keinen Grund zu zweifeln – ebenso wenig an den Ergebnissen, wenn diese einen höheren Finanzbedarf ermittelt.

Natürlich würde ich mir wünschen, dass der Rundfunkbeitrag wie alle Preise stabil bleibt. Allerdings muss man die geplante Erhöhung auch in Relation zur allgemeinen Preissteigerung betrachten. Höhere Kosten für Energie, Lebensmittel und Mieten treffen die Rundfunkanstalten und deren Mitarbeitende ebenso wie den Rest der Bevölkerung. Verglichen mit vielen anderen Verteuerungen der vergangenen Monate liegt die Erhöhung auf einem sehr niedrigen Niveau. Der Beitrag wurde zuletzt im Jahr 2021 angepasst – also noch vor dem Überfall auf die Ukraine. Im selben Zeitraum ist laut Statistischem Bundesamt der Preis für Brötchen um 30 Prozent gestiegen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beträgt die geplante Erhöhung hingegen nur etwas mehr als drei Prozent.

Dennoch scheint es wenig Akzeptanz für diese Erhöhung zu geben.

Nahezu alle großen Streaming-Dienste oder Pay-TV-Anbieter haben in den vergangenen Monaten ihre Preise erhöht oder ihre Preismodelle angepasst. Das hat in meiner Wahrnehmung deutlich weniger Proteste hervorgerufen.

Allerdings kann dort jeder Abonnent frei entscheiden, wie er damit umgeht und den Dienst kündigen, wenn ihm der Preis zu hoch ausfällt. Das Problem ist doch ein anderes: Es scheint sich ein Verlust der Legitimität des Systems einzuschleichen. Warum?

Wir erleben derzeit eine Reihe von Kräften, die die Funktionalität unseres demokratischen Systems insgesamt oder einzelner Institutionen infrage stellen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird dabei oft als Teil dieses Systems mit in Haftung genommen. Zugleich gehört es zur Taktik jener Kräfte, die das System nicht nur hinterfragen, sondern es zerrütten wollen, die tradierten Medienangebote per se zu delegitimieren und deren Glaubwürdigkeit zu untergraben.

Medienexperte Christian Richter. (Quelle: christianrichter)

Dr. Christian Richter ist Fernseh- und Medienwissenschaftler. Er beschäftigt sich mit der Theorie und Programmgeschichte des Fernsehens, den Mechanismen und Ästhetiken von On-Demand-Angeboten sowie mit Medienbildung und digitaler Bildung.

Auch die politische Mitte stellt das öffentlich-rechtliche System immer mehr infrage, wie die Ministerpräsidentenkonferenz zuletzt zeigte. Die Höhe des Rundfunkbeitrags soll vorerst bei 18,36 Euro bleiben, ab 2027 soll die Finanzierung neu geregelt werden. Wie finden Sie das?

Dass die Länder das bisherige Finanzierungsmodell für die Zukunft anpassen wollen, ist legitim und rechtskonform. Inwieweit die Änderungen den gewünschten Effekt erzielen werden, bleibt abzuwarten. Kurios ist jedoch, dass sie dabei auch die Stabilität des Rundfunkbeitrags beschlossen haben, obwohl die Länder zu einer solchen Maßnahme eigentlich nicht befugt sind. Das ist eine Entscheidung, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk letztlich untergräbt.

Ist es nicht etwas fragwürdig, dass die Politik, die die Regeln zum Verfahren über die Ermittlung des Rundfunkbeitrags vorgibt, sich nun nicht an das Ergebnis eben dieses Verfahrens hält?

Das ist in der Tat eine sehr missliche Entwicklung. Ich kann die Reaktion einiger Ministerpräsidenten jedoch nachvollziehen. Nur in sehr eng abgesteckten Ausnahmen sind sie derzeit berechtigt, einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu widersprechen. Gleichzeitig ist ihre Zustimmung für die Erhöhung zwingend. Sie werden also quasi gefragt, nur um zuzustimmen. In ihren Augen muss sich das wie eine Scheinbefragung anfühlen. Hier ist also ein Rechtskonstrukt entstanden, das für beide Seiten zur Unzufriedenheit führt und in irgendeiner Weise angepasst werden sollte.

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