„Ich vermute Absicht“
Anwalt spricht von Zensur in Boateng-Doku
Aktualisiert am 30.11.2025 – 18:31 UhrLesedauer: 2 Min.
Ein renommierter Jurist erhebt schwere Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es geht um ein viel beachtetes Projekt zum Fall Boateng.
Am 21. November wurde die ARD-Dokumentation „Being Jérôme Boateng“ veröffentlicht und löste Diskussionen aus. Kritiker bemängelten eine zu einseitige Darstellung des prominenten Falls. Ein beteiligter Anwalt erhob nun zusätzliche Vorwürfe gegen den Bayerischen Rundfunkt (BR) – und warf der Produktion massive inhaltliche Eingriffe vor.
„Ich bereue, Teil dieser Doku zu sein“, schrieb Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens in einem Instagram-Post und distanzierte sich öffentlich von seiner Beteiligung an „Being Jérôme Boateng“. Er behauptete, dass seine juristische Einordnung dort fast vollständig entfernt worden sei. Seine zentrale Kritik: Die Doku lasse eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Urteilen im Fall Boateng vermissen.
Jetzt nimmt die zuständige ARD-Anstalt zu den Vorwürfen auf Anfrage von t-online Stellung: „Das Interview umfasst, wie bei anderen Gesprächspartnern auch, mehr Material als in den Filmen Platz findet“, teilt ein Sendersprecher mit und fügt an: „Die zentralen Einordnungen sind in der Dokumentation enthalten.“
Zuvor behauptete Stevens: „Geschätzt 95 % meines Interviews sind schlicht rausgeschnitten worden.“ Übrig geblieben seien „drei kurze Statements, die völlig aus dem Kontext gerissen und zum Teil in neue Zusammenhänge hineinkopiert wurden“.
Er hatte die juristische Begleitung des Falls öffentlich kommentiert, war eng mit dem entscheidenden Richter befreundet und hatte diesen in seinem BR-Podcast „Bayern 3 True Crime“ zu Gast – einem Format, das laut Stevens das erfolgreichste der ARD-Mediathek war. Inzwischen habe der BR seine Zusammenarbeit mit ihm beendet: Stevens vermutete einen Zusammenhang mit der Bearbeitung seines Doku-Beitrags: „Es drängt sich für mich der Verdacht auf, dass diese ‚Bearbeitung‘ meines Beitrags nicht zufällig erfolgte“, schrieb er und äußerte in dem Zusammenhang: „Wer eine kritische, juristisch präzise Stimme loswerden will, kappt ihr schlicht die Sendezeit.“
Es seien genau die Passagen herausgeschnitten worden, „in denen ich mich sehr kritisch mit den bisherigen Entscheidungen und der öffentlichen Bewertung des Falls Jérôme Boateng auseinandersetze“. Das sei „schwer anders zu deuten, als dass bestimmte Narrative geschützt werden sollten“. Der Jurist sah das Projekt in einem größeren Kontext: „Zensur nach BR-Streit? Ich vermute Absicht. Nach meiner Trennung vom BR scheint man kritische Stimmen zu unterdrücken, um Narrative zu schützen.“
Dazu teilt der BR-Sprecher t-online mit: „Das im Sommer kommunizierte Ende der Zusammenarbeit mit Alexander Stevens beim Bayern 3 True Crime Podcast steht in keinerlei Zusammenhang mit den redaktionellen Entscheidungen bei ‚Being Jerome Boateng.“
