Der Druck im Leistungssport Tennis ist hoch. Zu hoch? Ex-Spielerin Andrea Petković über Tarnung und Täuschung.

Ihre Tenniskarriere hat Andrea Petković vor fast zwei Jahren beendet. Von der Bildfläche verschwunden ist sie allerdings nicht. Ob in Spielerboxen, als On-Court-Interviewerin bei Turnieren oder als Expertin, neuerdings auch für den Pay-TV-Sender Sky, im Fernsehen: Die Darmstädterin ist ihrer großen sportlichen Leidenschaft treu geblieben.

Im Interview mit t-online spricht die 36-Jährige über die Krise im deutschen Damentennis, mentale Gesundheit und das Potenzial der Nummer eins.

Frau Petković, Sie sagten kürzlich: „Im Leistungssport geht es oft darum, Fassaden aufrechtzuerhalten“. Wie viel im Tennis ist Fassade?

Andrea Petković: Tennis ist eine psychologische Sportart, bei der es dazugehört, eine gewisse Ausstrahlung mit auf den Platz zu nehmen, und zumindest so zu tun, als wüsste man, was passiert. Und als wäre man stark.

Im Leistungssport ist es total wichtig, eine Fassade der Stärke aufrechtzuerhalten. Und das geht mal besser, mal schlechter. Viel von dem Selbstbewusstsein, das man hat, hat damit zu tun, dass man sich wirklich stark fühlt. Aber dann gibt es auch Schwächephasen, in denen man sich nicht so gut fühlt, nicht so gut gespielt hat, nicht so viele Matches gewonnen hat.

Was zum Sport dazugehört …

Absolut, aber da wird es dann natürlich ein bisschen schwieriger, vor allem im Tennis. Ich glaube aber, dass Tennisspieler und Tennisspielerinnen ganz gut darin sind, eine Fassade aufrechtzuerhalten, sodass selbst die Kollegen und Kolleginnen in der Umkleide nichts mitbekommen.

Haben Sie auch mal vermutet: Da tut jemand nur so, als sei alles in Ordnung?

Es gab natürlich ein paar Situationen, bei denen man sich gedacht hat: Da ist vielleicht nicht alles in Ordnung.

Wie geht man mit so einer Situation um?

Deine Aufgabe auf dem Platz ist es, dich da irgendwie durchzubrechen und einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ich merke aber auch, dass jetzt, da ich aufgehört habe, mir Spielerinnen und Spieler mal eher etwas anvertrauen, weil ich keine direkte Konkurrentin mehr bin. Und da merke ich dann, dass unter der Oberfläche mehr vor sich geht, als man wirklich mitbekommt – weil wir uns alle viel mehr um uns selbst drehen und nicht so sehr ein Auge auf die anderen werfen. Tennisspieler sind leider Egoisten.

Apropos Ego: Über Social Media können sich die Profis auch selbst inszenieren. Ist das von Vorteil?

Die sozialen Medien geben den Spielerinnen und Spielern die Möglichkeit, Narrative auch mal geradezurücken oder zu erklären, warum etwas nicht funktioniert hat, oder auch mal hinter die Fassade blicken zu lassen. Ich glaube, dass das sogar eher Positives bewirkt hat.

Zusätzlich gehören auch Mentaltrainer heute bei vielen Spielerinnen und Spielern zum Team, es wird offener über psychische Probleme und den Druck gesprochen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Eher positiv. Bei uns im Tennis ist das spätestens der Fall, seit Naomi Osaka nicht zu einer Pressekonferenz bei den French Open gekommen ist. Da hat sich eine Riesendebatte um mentale Gesundheit entwickelt.

Inzwischen ist es so, dass in den Umkleideräumen nicht nur Physiotherapeuten den Spielerinnen zur Verfügung stehen, sondern auch jemand, der im Bereich mentale Gesundheit arbeitet. Bei jedem Turnier kann man sich da an jemanden wenden. Es ist wichtig, auch mentale Gesundheit als Grund anführen zu können, warum man mal eine Auszeit nimmt.

Man hat es zuletzt bei Amanda Anisimova gesehen, ein junges Talent und eine super Spielerin. Die hat sich drei bis vier Monate Auszeit genommen, kam zurück und zog direkt in die vierte Runde bei den US Open ein.

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