Eine Gruppe fällt besonders auf

Kriminologin: Amoktaten und Anschläge kündigen sich oft an

Aktualisiert am 10.03.2025 – 07:25 UhrLesedauer: 3 Min.

Ermahnungen in der Nähe des Tatorts des tödlichen Messerangriffs von Aschaffenburg: „Weniger Wahlkampf, mehr Mitgefühl!“ (Quelle: Andreas Arnold/dpa/dpa-bilder)

News folgen

Die jüngste Häufung von Anschlägen und Amoktaten sorgt für Verunsicherung. Dabei wären die Taten besser vermeidbar, schätzen Kriminologen.

Nach den Amoktaten und Anschlägen der vergangenen Monate hat die Kriminologin Britta Bannenberg Politiker aufgefordert, verbal abzurüsten. Anstatt die Tat eines Ausländers zum Anlass für eine schrille Migrationsdebatte zu nehmen, wäre es besser, endlich Strukturen für eine bessere polizeiliche Gefährdungseinschätzung möglicher Amoktäter zu schaffen, sagte die Rechtswissenschaftlerin von der Universität Gießen der Deutschen Presse-Agentur.

Denn viele solcher Taten seien vermeidbar, wenn man die entsprechenden Hinweise und Andeutungen richtig zu deuten wisse.

Britta Bannenberg: Die Professorin für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen forscht seit vielen Jahren zu Amoktaten. (Quelle: Sebastian Christoph Gollnow/dpa/dpa-bilder)

„Ich rate zur Zurückhaltung im Ton“, fügte die Gießener Professorin hinzu. Das gelte ausdrücklich auch für den CDU-Vorsitzenden, Friedrich Merz. Es sei zwar legitim, wenn sich dieser für Fortschritte bei Abschiebungen von Ausreisepflichtigen einsetze.

Mit „populistischen Äußerungen“ über Migration in einer Phase, in der die Gesellschaft ohnehin schon großem Stress ausgesetzt sei, habe Merz im Bundestagswahlkampf aber womöglich „Migranten getriggert, die sich hier nicht ganz zu Hause fühlen“.

Ein weiterer möglicher Auslöser für Amoktaten sei eine sensationsheischende Berichterstattung über Gewalttaten, wobei Nachahmungseffekte nicht auf das eigene Milieu beschränkt seien. „Der Amoktäter lässt sich vom Islamisten anregen, und der Rechte wird vom Islamisten inspiriert“, sagte Bannenberg. Allen einzeln handelnden Tätern gehe es um „maximale Aufmerksamkeit“.

Rowenia Bender und Kristin Weber vom Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen an der TU Chemnitz warnen: „Eine sensationsgeleitete oder vorschnelle Berichterstattung kann bei empfänglichen Personen dazu führen, dass sie in einem gleichen oder ähnlichen Modus Operandi eine solche Tat ausführen könnten.“

In München hatte am 13. Februar ein 24-jähriger Afghane ein Auto in einen Demonstrationszug gesteuert. (Archivbild) (Quelle: Matthias Balk/dpa/dpa-bilder)

Grundsätzlich wirkten solche Trigger-Effekte auf Menschen, die bereits mit dem Gedanken spielten, eine Gewalttat zu begehen, sagte Bannenberg. „In den letzten sechs Monaten vor der Tat machen diese Menschen Andeutungen“, erklärt die Forscherin.

Ihr „Beratungsnetzwerk Amokprävention“ richtet sich an Menschen, die sich mit ihren Beobachtungen über Menschen, die sich im Netz oder in ihrem Umfeld auffällig verhalten, entweder nicht selbst an die Polizei wenden wollen oder sich von den Beamten nicht ernst genommen fühlen. Aktuell sei „wirklich mehr Dampf im Kessel“, sagt sie. Mit durchschnittlich zwei Anfragen pro Tag sei das Netzwerk momentan stärker gefragt als sonst.

In Mannheim ist ein Mann mit einem Wagen durch eine Fußgängerzone gerast – zwei Menschen wurden getötet. (Archivbild) (Quelle: Uli Deck/dpa/dpa-bilder)

Die Polizeibehörden der Länder sind, was den Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen angeht, unterschiedlich gut aufgestellt. Vor allem auf dem Land sind psychologische Gutachter oft nicht kurzfristig greifbar – schon gar nicht nachts oder am Wochenende.

Ohne deren Hilfe sei es aber für Polizeibeamte oft schwierig, einzuschätzen, ob ein schimpfender Bürger, der merkwürdige Theorien verbreitet oder unterschwellige Drohungen ausspricht, eine Gewalttat vorbereitet oder nur Dampf ablassen will.

Nach dem Attentat von Hanau war auch im Bundestag darüber debattiert worden, wie verhaltensauffällige Menschen mit Gewaltneigung, die im schlimmsten Fall auch noch Waffenbesitzer sind, frühzeitig gestoppt werden können. Am 19. Februar 2020 hatte ein Deutscher in der hessischen Stadt neun junge Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Wenige Monate vor der Tat hatte sich der spätere Attentäter, der über eine Waffenbesitzkarte verfügte, mit kruden Verschwörungstheorien an die Bundesanwaltschaft gewandt.

Aktie.
Die mobile Version verlassen