Die Rede ist vom größten Wandel seit Einrichtung der Fußgängerzone: Die Münchner Altstadt erhält ein neues Gesicht. Erste Details werden jetzt bekannt.

Nur einen Steinwurf vom Hofbräuhaus entfernt trifft man an der Straße Am Kosttor auf einen kleinen, dreieckigen Platz. Hier stehen hohe Bäume um einen Brunnen, aber auch viele Fahrräder, E-Scooter und Betonpoller. Kurzum, zum Verweilen lädt dieser Ort nicht ein, zumal er von allen Seiten durch Straßen abgeschnitten ist – „ein schwebender Platz“, wie es Leon Legeland formuliert, Projektmanager und Stadtplaner des Kopenhagener Büros Gehl Architects.

Dann klickt Legeland weiter, und auf der Leinwand über ihm taucht ein gänzlich verwandelter Ort auf – mit Spielgeräten und Sitzbänken. Zudem sind die Gehsteige verschwunden, und der Platz ist auf gleicher Höhe mit der Straße eingeebnet. Die Folge, so sagt es Legeland: „Der Fußgänger ist hier nicht mehr zu Gast im Raum des Autos, sondern das Auto ist zu Gast im Raum des Fußgängers.“

Mit solch simplen Umbauten ließe sich dieser Platz aufhübschen. „Und damit steht das Kosttor sinnbildlich für viele Orte in der Altstadt, wo man mit dem Wegfall von wenigen Parkplätzen viel bewegen kann“, sagt Leon Legeland.

Welche Möglichkeiten sich München hier bieten, das hat das Büro Gehl Architekten im Auftrag der Stadt untersucht – unter dem Schlagwort „Altstadt für alle“. An diesem Montagabend wurde im Kulturzentrum Gasteig das Ergebnis eines fast zweijährigen Prozesses präsentiert, an dem auch Anwohner, Bürger und Vertreter von Interessengruppen beteiligt waren.

Der Platz Am Kosttor, wie er heute aussieht: Autos treffen auf Fahrräder, E-Roller und Fußgänger. (Quelle: Patrik Stäbler )

Beim Projekt „Altstadt für alle“ gehe es um nichts weniger als „die größte Weiterentwicklung der Innenstadt seit der Einrichtung der Fußgängerzone“, hat Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) gesagt. Dies war im Jahr 1972; nun soll die Altstadt also abermals ein neues Gesicht erhalten.

So wolle man die Situation für Fußgänger und Radfahrer verbessern, auch mit Blick auf den Klimawandel mehr Grün und mehr Aufenthaltsqualität schaffen sowie den öffentlichen Nahverkehr optimieren – etwa durch ein Altstadt-Mobil, wie es in den vergangenen Monaten testweise erprobt wurde.

Trotz allem soll das Stadtzentrum weiterhin für den motorisierten Verkehr erreichbar bleiben. Von der „autofreien Altstadt“, die 2020 im grün-roten Koalitionsvertrag auftauchte, hört man dieser Tage nicht mehr viel im Rathaus. Der Gegenwind vom Einzelhandel und der Wirtschaft ist offenbar zu groß. Nun will man also eine „Altstadt für alle“ schaffen. Autofahrer werden allerdings Einschnitte hinnehmen müssen.

Nach dem nun vorgestellten Konzept sollen 600 Stellplätze im Straßenraum wegfallen. Die verbleibenden 1.100 wären dann vor allem für Anwohner gedacht. Besucher sollen in die Parkhäuser gelotst werden, wo fast 5.000 Stellplätze zur Verfügung stehen, die aktuell selbst zu Stoßzeiten nicht restlos belegt seien, so Stadtplaner Legeland. „Wir wollen den Durchgangsverkehr und vor allem den Parksuchverkehr in der Altstadt reduzieren“, betont der Stadtplaner.

Dabei soll auch eine Neuordnung des Verkehrs helfen nach dem Vorbild der „zona a traffico limitato“, wie man sie aus italienischen Städten kennt. Konkret seien drei Straßenkategorien angedacht, sagt Legeland. Erstens Stadtstraßen für alle Verkehrsteilnehmer, die direkt zu den Parkhäusern führen.

Alternativen für den Nahverkehr soll Platz eingeräumt werden: So wie hier für das Altstadt-Mobil, das bereits in den vergangenen Wochen in München getestet wurde. (Quelle: Patrik Stäbler )

Davon abzweigend geht es, zweitens, in eine Altstadt-Zone, wo lediglich Fahrzeuge mit Sonderausweis erlaubt sind – etwa Anwohner, Lieferverkehr und Handwerker. Und drittens: Fußgängerzonen, von denen in der Altstadt ja schon mehrere wie in der Dienerstraße und in der Löwengrube neu ausgewiesen wurden. Weitere sollen folgen – allen voran im Tal.

Ist der Verkehr einmal neu geordnet und das Gros der Straßenparkplätze verschwunden, dann soll der gewonnene Raum genutzt werden, um Fuß- und Radwege auszubauen. Mehr Grün und mehr Orte zum Verweilen sollen entstehen. Zudem sollen Stadtbäche geöffnet werden, um die Altstadt besser an die Isar anzubinden. Das Konzept für diese ambitionierten Pläne soll noch in diesem Jahr dem Stadtrat vorgelegt werden.

Sollte dieser seine Zustimmung erteilen, werde das Mobilitätsreferat in die Umsetzung gehen. Das Projekt soll mit dem Graggenauer Viertel im Nordosten der Alstadt gestartet werden.

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