Schröder erinnert an eigene Vertrauensfrage

„Ich habe nächtelang nicht geschlafen, so schwierig war das“

16.12.2024 – 16:16 UhrLesedauer: 2 Min.

Gerhard Schröder (vorn) und Bundesaußenminister Joschka Fischer (Archivbild): Ihre Koalition zerbrach. (Quelle: Peer Grimm)

Gerhard Schröder spricht über die Herausforderungen seiner Vertrauensfrage 2005. Die Unsicherheit habe ihm schlaflose Nächte bereitet.

Gerhard Schröder hat in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ seine Beweggründe und die emotionalen Belastungen rund um seine eigene Vertrauensfrage im Jahr 2005 beleuchtet. Der damalige Bundeskanzler stellte die Frage, ähnlich wie Scholz heute, nicht, um sie zu gewinnen, sondern um bewusst eine Niederlage herbeizuführen. Der Unterschied zwischen Scholz und Schröder: Scholz steht heute ohne Mehrheit da, Schröder wollte mit der seinen nicht mehr arbeiten.

Ziel war es, den Weg für Neuwahlen zu ebnen, die letztlich von Bundespräsident Horst Köhler genehmigt wurden. Dieser Schritt bedeutete letzten Endes nicht nur das Ende von Rot-Grün, sondern auch Schröders Amtszeit.

Wie Schröder der Zeitung erzählt, war seine Koalition aus SPD und Grünen im Frühjahr 2005 zwar rechnerisch stabil, doch inhaltlich zunehmend zerstritten. Besonders der Widerstand aus den eigenen Reihen machte ihm zu schaffen. Einige SPD-Abgeordnete rebellierten gegen die Agenda 2010, insbesondere gegen Hartz IV. Schröder fühlte sich angesichts dieser internen Widerstände in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt. „Entweder wir werden unter dem Sattel blutig geritten, oder wir machen einen Befreiungsschlag“, beschreibt der Altkanzler seine damalige Lage.

Die Entscheidung zur Vertrauensfrage traf Schröder kurz nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005. Die SPD hatte dort eine historische Niederlage erlitten, was aus Schröders Sicht eine Legitimitätskrise für die rot-grüne Koalition bedeutete. Noch am Wahlabend kündigte er an, die Vertrauensfrage zu stellen, um die Blockade im Bundestag zu überwinden.

Die von Schröder eingesetzte sogenannte „unechte“ Vertrauensfrage hatte das Ziel, eine Niederlage im Bundestag zu provozieren. Dies war erforderlich, damit der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen ausrufen konnte. Normalerweise dient die Vertrauensfrage dazu, die Mehrheit der Regierung zu sichern oder umstrittene Projekte durchzusetzen. Schröder hingegen verfolgte einen ungewöhnlichen Weg, der damals kontrovers diskutiert wurde.

Die Unsicherheit, ob Köhler der Auflösung des Bundestages zustimmen würde, bereitete Schröder schlaflose Nächte. „Ich habe wirklich nächtelang nicht geschlafen, so schwierig war das“, erinnert er sich. Der Bundespräsident hat Spielraum in seiner Entscheidung und hätte die Auflösung ablehnen können, was für Schröder eine politische Blamage bedeutet hätte.

Am 1. Juli 2005 verlor Schröder wie geplant die Vertrauensfrage mit 151 Ja- gegen 296 Nein-Stimmen, bei 148 Enthaltungen. Drei Wochen später löste Köhler den Bundestag auf. Doch auch danach war Schröders Plan noch nicht gesichert. Kritische Stimmen erhoben juristische Bedenken, und das Bundesverfassungsgericht musste klären, ob die Verkürzung der Legislaturperiode rechtens war. Es gab keine einstimmige Entscheidung: Während die Mehrheit der Richter Schröders Vorgehen durchwinkte, äußerte Richterin Gertrude Lübbe-Wolff deutliche Kritik am Bundestag, der sich aus ihrer Sicht den Machtspielen des Kanzlers zu passiv gebeugt habe.

Trotz der damit eingeleiteten Neuwahlen, die die SPD schließlich an die Union verlor hatte, verteidigt Schröder seinen damaligen Schritt. „Entweder hopp oder top, sonst wären ständig Situationen gekommen, in denen ich als Regierungschef eigentlich nur schlecht hätte aussehen können“, sagte er. Für ihn sei es undenkbar gewesen, weiterhin in einer Situation der politischen Schwäche zu regieren.

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